: Oberstes Gericht tagt
■ Berufungsverfahren in Israel gegen die Deportation der 415 Palästinenser
Tel Aviv (taz) – Die Ausweisung von 415 Palästinensern beschäftigt erneut das Oberste Gericht in Israel. Die sieben Richter traten gestern zusammen, um über die Berufungsanträge zu beraten, die von vierzehn israelischen Anwälten und Bürger- sowie Menschenrechtsorganisationen eingelegt worden waren.
Das Gericht hat vor allem über die prinzipielle Frage zu entscheiden, ob die vor einem Monat von der Regierung angeordnete und vom Militär durchgeführte „Blitzdeportation“ gesetzwidrig war. Bereits zuvor hatte das Gericht Gesuche um Rückführung der Deportierten an ihre Wohnorte mit der Begründung abgelehnt, daß sich die Betroffenen auf libanesischem Territorium aufhielten und eine Einmischung eines israelischen Gerichts deshalb nicht infrage käme.
Die Staatsanwaltschaft argumentiert, die Deportation sei rechtmäßig gewesen. Sie lehnt auch das Argument ab, daß individueller Einspruch der Betroffenen nicht eingereicht werden kann, weil die Deportierten keine Möglichkeit haben, ihren Rechtsvertretern in Israel die nötigen Vollmachten zu erteilen.
Rechtsanwalt Avigor Feldman und andere Vertreter einer großen Gruppe von Deportierten weisen darauf hin, daß die Regierung Ministerpräsident Jitzhak Rabin bevollmächtigt hatte, neue Notstandsverordnungen zu formulieren, um die sofortige Ausweisung der Palästinenser zu ermöglichen. Die Regierung sei sich also darüber im klaren gewesen, daß die Deportationen nach bestehendem Recht ungesetzlich seien. In der Eile wurde jedoch von neuen Verordnungen abgesehen und die sofortige Deportation durchgeführt, um die üblichen Berufungsverfahren beim Obersten Gericht zu umgehen.
Der ägyptische Außenminister Amr Mussa traf gestern zu einem kurzen Besuch in Israel ein, um über eine rasche Beilegung des „Deportationsproblems“ zu verhandeln, damit die baldige Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen möglich wird. Vorher hatten die Palästinenser die US- Regierung davon unterrichtet, daß sie zur nächsten Runde der bilateralen Verhandlungen nur dann erscheinen könnten, wenn die Deportiertenfrage vorher gelöst wird. Vor ein paar Tagen sollen die Präsidenten Syriens und Ägyptens beschlossen haben, daß die bilateralen Verhandlungen in Washington im kommenden Monat wiederaufgenommen werden sollen. Um dem internationalen Druck zu begegnen, hatte die israelische Regierung Ende der Woche beschlossen, jetzt doch enger mit dem Roten Kreuz zusammenzuarbeiten. Sie ist jetzt zudem auf der Suche nach einem Drittland, das bereit ist, die Deportierten aufzunehmen. Israel weigert sich jedoch entschieden, den Sicherheitsratsbeschluß 799 durchzuführen, der die Rückkehr der Ausgewiesenen fordert.
Die im Niemandsland gestrandeten Palästinenser machten gestern mit einer Protestdemonstration auf ihre Lage aufmerksam. Außerdem bauten sie mit Ausnahme der Sanitärsunterkünfte alle Zelte ab, in denen sie seit dem 18.Dezember untergebracht sind. Amos Wollin
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