Senegal: Sonnenstrom im Dorf

Die Elektrizitätsgesellschaft möchte ihr Netz mit dezentralen Solaranlagen auf dem Lande ergänzen/ Deutsche Entwicklungshelfer sind noch skeptisch  ■ Von Ralf Köpke

Dakar (taz) – Na klar kennt er die Fußball-Bundesliga. Gurki Seik strahlt. Als sei er langjähriger Kicker-Abonnent, sprudelt er Namen bundesdeutscher Fußballgrößen herunter: Stefan Kuntz, Olaf Thon, Uli Stein, Guido Buchwald, – Sonst noch Fragen bitte?

Als sei es die selbstverständlichste Sache der Welt, unterhalten wir uns in Palmarin, einem 1.000-Einwohner-Dorf, 130 Kilometer südlich der senegalesischen Hauptstadt, über den deutschen Profi- Fußball. Palmarin hat nicht einmal eine asphaltierte Straße, und selbst einige Strohhütten gibt es noch im Dorfkern. Wie um alles in der Welt kommt der Tabellenstand der Fußball-Bundesliga in diese Provinz?

Jeden Samstag nachmittag um vier Uhr besucht Selki seine Freundin N'Dei. Um diese Zeit strahlt das Fernsehen ein Bundesligaspiel der Woche aus. N'Dei besitzt einen der wenigen Fernseher in dem Dorf, der – und das ist die Überraschung – mit Solarstrom läuft. Das verdankt N'Dei dem projet sénégalo-allemand d'énergie solaire, das von der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) finanziert wird.

Seit 1987 versucht die GTZ im Senegal die solare Elektrifizierung voranzutreiben. Dafür bietet das Land an der Westküste Afrikas beste Voraussetzungen: die Sonneneinstrahlung ist hoch (jährlich etwa 2.500 Kilowattstunden pro Quadratmeter in der Sahelzone, Bundesrepublik: 1.000), bewölkte Tage sind selten. „Wenn wir hier eines haben, dann ist es Sonne“, sagt Fußballfan Seik. Auch die Regierung in Dakar weiß das. Seit den 60er Jahren versucht sie, Sonnenenergie zu nutzen, unter anderem unterstützt von Spanien, Italien oder Frankreich. „Vorzeigbare Ergebnisse hat es nie gegeben“, berichtet Alassane Wade, der senegalesische Koordinator des projet énergie solaire photovoltaique. Und ein Ingenieur im Technologie-Ministerium beklagt: „Nie ist ein schriftlicher Ergebnisbericht veröffentlicht worden.“

Daran ließ es die GTZ nicht fehlen. Nach Abschluß der ersten fünfjährigen Projektphase schrieb sie einen Erfahrungsbericht. Die Deutschen hatten von Anfang an auf kleine, dezentrale Einheiten gesetzt, auf sogenannte „solare Familiensysteme“ – eine Strategie, die sich als richtig erwies. „Der Einsatz der Photovoltaik in den ländlichen Haushalten kann so zu einer echten Alternative und durchaus rentabel werden“, lautet das Fazit von Georg Schäfer, dem bundesdeutschen Projektleiter.

In den letzten Jahren haben Schäfer und seine Mitarbeiter Erfahrungen mit der Installation und dem Betrieb von rund 450 solchen Familiensystemen und zweier sogenannter Dorfstromzentralen im Departement Fatick (rund 100 Kilometer südlich von Dakar) gesammelt. Zum Familiensystem gehören ein Solarzellen-Modul mit einer Leistung zwischen 24 und 100 Watt, Speicherbatterien, ein Regler und ein paar Energiesparlampen. Dieses Modell kann nicht nur den gesamten Beleuchtungsbedarf einer Familie decken, auch das Radio darf mehrere Stunden laufen.

Weit mehr Strom (Spitzenleistung etwa 20 Kilowatt) lieferten natürlich die zwei GTZ-Dorfstromzentralen, doch lag der Preis für die Kilowattstunde jenseits jeder Wirtschaftlichkeit. Nicht nur die höheren Baukosten für das Solarkraftwerk schlugen negativ zu Buche, sondern auch die Leitungen, die zur Stromverteilung gebaut werden mußten.

„Auch im Vergleich zu einem Dieselmotor schneidet unser Familiensystem günstiger ab“, verweist Projektleiter Schäfer auf andere Berechnungen. Auch aus ökologischer Sicht spricht alles dafür: Das Verhältnis von eingesetzter Energie bei der Herstellung und der späteren Ausbeute ist günstiger: „Bei der intensiven Sonneneinstrahlung in Westafrika ist die Bilanz nach vier Jahren ausgeglichen“, sagt Horst Höfling, Fachplaner für Photovoltaiksysteme in der GTZ-Zentrale im hessischen Eschborn. Andere Techniken könnten eine solch schnelle Amortisation bei „der Basiselektrifizierung des Landes mit ihren geringen Energieverbräuchen“ nie erreichen.

Daß sich die Solarenergie zur ländlichen Elektrifizierung geradezu aufdrängt, hat Senegals Regierung zufrieden registriert. Denn das nationale Versorgungsunternehmen, die SENELEC (société nationale d'électricité), ist überfordert. Selbst ihren Mitte der 80er Jahre aufgestellten Generalplan, der bis zum Jahr 2004 den Aufbau der Stromversorgung in 500 der rund 13.000 Dörfer (rund 70 Prozent der Bevölkerung) im Senegal vorsieht, dürfte die SENELEC kaum realisieren können. Ihre Anlagen, sowohl die beiden Öl-Kraftwerke als auch die Stromnetze, sind überaltert und schaffen gerade noch die Versorgung der ständig wachsenden Hauptstadt Dakar. Stromausfälle gehören in der 1,8-Millionen-Metropole mittlerweile zur Tagesordnung. Die Bereitschaft der SENELEC, ihre Netze auszubauen, hält sich auch aus finanziellen Gründen in Grenzen: In den elektrifizierten Dörfern liegt die Anschlußquote nur zwischen 5 und 15 Prozent.

Daß es zu einem Durchbruch der Solartechnik kommt, ist für Koordinator Alassane Wade ausgemachte Sache: „Um unsere wirtschaftliche Entwicklung voranzutreiben, wird ein Ausbau der Stromversorgung über die Region Dakar kaum möglich sein, so daß für den Solarstrom große Anwendungsgebiete bleiben.“ Wade kann sich sogar vorstellen, daß in allen nicht vom Generalplan erfaßten Dörfern eines Tages Solarpanele stehen.

Diesen Optimismus teilt sein bundesdeutscher Projektpartner nicht: „Es ist wirklich zu fragen, ob es hier im Senegal nicht dringendere Probleme als den Aufbau einer flächendeckenden Stromversorgung gibt.“ Noch steht dem Siegeszug der Solarenergie der Preis im Weg. Die rund 1.000 Mark für ein solares Familiensystem können die wenigsten einheimischen Bauern aufbringen. Deshalb plant das projet sénégalo-allemand, in der nun angelaufenen zweiten Phase des Projektes mit Spar- und Kreditgenossenschaften zusammenzuarbeiten. Auch sollen die Genossenschaften die Ausbildung lokaler Techniker für Installation, Wartung und Kontrolle der Anlagen übernehmen. Zukunftsmusik ist der Aufbau eines Händlernetzes.

Einen ersten Erfolg, die Kosten zu senken, hat Schäfer bereits erzielt. Das senegalesische Finanzministerium ist bereit, auf die Zollaufschläge für die importierten Solarpanele zu verzichten. Nach Berechnungen der GTZ wird das Familiensystem dann für etwa die Hälfte der senegalesischen Bauern wirtschaftlich interessant.

Immerhin lassen sich mit den GTZ-Familiensystemen nicht nur Energieeinsparungen erzielen, auch die Lichtausbeute der Solarlampen ist doppelt so hoch wie bei den herkömmlichen Petroleumlampen. Auch können Solarmodule helfen, Batterien zu ersetzen, die mit ihren Quecksilberbestandteilen überall im Lande herumliegen. Schließlich: Bessere Lebensqualität auf dem Dorf könnte die Landflucht bremsen.

Gurki Seik muß nicht mehr überzeugt werden. Für die Bundesliga-Übertragungen wünscht er sich mehr Spiele der SG Wattenscheid 09 zu sehen. Dort schießt sein Landsmann Souleyman Sane Tore.