Alarmzustand am Golf

■ US-Kampfflugzeug schoß irakische MiG ab/ Saddam Hussein: „Irak ist unbesiegbar“

Washington (taz) – Pünktlich zum zweiten Jahrestag des Angriffs alliierter Flugzeuge auf Bagdad waren die Kampfbomber auf dem US-Flugzeugträger „Kitty Hawk“ gestern wieder in erhöhter Alarmbereitschaft. Während im Weißen Haus das Wann und Wie eines weiteren Bombenangriffs gegen den Irak beraten wurde, beschwor Saddam Hussein in einer Fernsehansprache die „Mutter aller Schlachten“ und die Unbesiegbarkeit des irakischen Volkes. Außerdem meldete er erneut seinen Anspruch auf Kuwait an.

Allerdings geht es zwei Jahre nach Beginn von Operation Desert Storm nicht um kuwaitisches, sondern um irakisches Territorium. Kurz vor Ende der Bush-Administration ist Bagdad offenbar entschlossen, die verlorene Souveränität über die Flugverbotszonen im Norden und Süden des Landes zurückzugewinnen. Die irakische Luftabwehr ist nach Angaben des stellvertretenden Ministerpräsidenten Tarik Asis einsatzbereit.

Die Situation hatte sich am Sonntag morgen weiter verschärft, nachdem bekannt wurde, daß der Pilot einer F-16 der U.S. Air Force einen irakischen MiG-Jäger über der Flugverbotszone nördlich des 36.Breitengrades abgeschossen hatte. In einer Pressekonferenz Sonntag morgen erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Marlin Fitzwater, in der letzten Nacht seien amerikanische F-16-Maschinen über der nördlichen Flugverbotszone mehrfach beschossen worden. Irakische Flugzeuge hätten ihrerseits das Flugverbot nördlich des 36.Breitengrades verletzt. Auch entlang der umstrittenen Grenze zu Kuwait gab es gestern keine Ruhe: Bei einem Angriff auf eine Grenzpatrouille wurde ein Iraker erschossen. Bei Redaktionsschluß lagen keine Meldungen über neue Bombardements gegen den Irak vor. Mit einem weiteren Angriff seitens britischer und US-amerikanischer Bomber wurde jedoch stündlich gerechnet.

Auf den Straßen der US-Hauptstadt war von den jüngsten Ereignissen allerdings nichts zu spüren. Hier interessiert sich im Gegensatz zum 17.Januar 1991 heute kaum jemand für die Machtproben zwischen dem Irak und den USA. Statt dessen wartete man gespannt auf den pompösen Einzug Bill Clintons in die Hauptstadt und den Beginn der gigantischen „Reunion“-Feier, mit der Amerikas Rock- und Pop-Prominenz gestern in Washington dem neuen Präsidenten ihre Reverenz erwies.

Der scheidende Präsident George Bush hatte Saddam Hussein am Freitag ein Ultimatum bis 16 Uhr (22 Uhr MEZ) gestellt. Bis dahin sollte Bagdad nicht nur die Flüge von UNO-Inspektionsteams in Maschinen der Vereinten Nationen, sondern auch deren Sicherheit garantieren. Letzteres hat der Irak verweigert. In einer Pressekonferenz erklärte Tarik Asis, Bagdad könne für die Sicherheit der UNO-Flugzeuge nur dann die Verantwortung übernehmen, wenn diese ausschließlich durch einen Luftkorridor aus Jordanien einfliegen würden. Außerhalb des Korridors bestehe die Gefahr, ins Feuer der irakischen Luftabwehr zu geraten, wenn diese auf alliierte Kampfflieger in den Flugverbotszonen nördlich des 36. und südlich des 32.Breitengrades zielen würden. Der Irak, so betonte Asis erneut, erkenne die Flugverbotszonen nicht an. Bagdad hatte seit Mittwoch drei Raketenangriffe auf alliierte Flugzeuge gemeldet – zuletzt am Freitag gegen zwei US-Kampfflieger, die über der nördlichen Verbotszone flogen.

Pläne, einen zweiten Angriff noch am Freitag abend anzuordnen, hatte Noch- Präsident George Bush offenbar nach Einwänden des britischen Premierministers John Major zurückgezogen, der erst eine Reaktion und Stellungnahme der UNO einholen wollte. Die lehnte Asis' Angebot eines Luftkorridors am Samstag uneingeschränkt ab. Gestern nachmittag bot der Irak den UN-Maschinen dann auch die Einreise aus Bahrain an – allerdings nur, wenn die westlichen Kontrollflüge im Süden ausgesetzt werden.

Fest steht, daß ein zweiter Angriff sehr viel massiver ausfallen würde als die Bombardements am Mittwoch. Vermutlich würden dann auch Ziele außerhalb der Flugverbotszonen attackiert. Den Preis für diesen erneuten Showdown zwischen Bagdad und Washington werden irakische Soldaten und möglicherweise auch Zivilisten bezahlen müssen. Andrea Böhm