Viele Seiten von zwölf Saiten

■ Das Arcado String Trio im Kito: Gegen alle Lehrbuchregeln

Jawohl, ein Cello kann man sich auch quer über den Schoß legen und es wie eine Gitarre spielen. Auf der Rückseite einer Violine kann man auch mit dem nassen Finger Quietscher erzeugen, und auf dem Kontrabass kann man herumtrommeln wie auf einer Conga.

Das Arcado String Trio aus New York hat im Kito die Möglichkeiten eines Streicherensembles voll ausgekostet. Natürlich wurden die Saiten auch ganz ordentlich mit den Bögen gestrichen, aber dann fuhr der Teufel in die ausgefuchsten Eigenkompositionen der drei jungen Musiker: klassische Kammermusik verwandelten sich in Jazz-Etüden; Popmusik wurde in hochkomplizierten Arrangements streng vom Blatt gespielt. Und Kadenzen wurden zu improvisierten Sololangläufen, in denen auf ein Vivaldi—Zitat ein geschrammelter Ländler folgte, und in einem Bogenstrich von Yehudi Menuhin auf Stephane Grappelly umgeschaltet wurde.

Die klassische Ausbildung der drei war eine sichere Grundlage, von der aus sie eine ganz persöhnliche Melanche von Stilen und Spieltechniken entwickelt haben. Mark Dresser gab auf dem gezupften Bass meist den nötigen Swing für die jazzigen Passagen vor. Cellist Ernst Reijseger entfernte sich auf seinem Instrument am weitesten von den Lehrbuchregeln (er fidelte sogar noch auf einer gerissenen Saite herum). Und Mark Feldman war auf der Violine der virtuose Star der Gruppe, mit den schnellsten Pizicati, den kompliziertesten Läufen und den komischen Ansagen, die sich meist zu kleinen Geschichten über Motels oder Beruhigungstabletten entwickelten.

Der Wechsel von Clownerien zu durchaus seriöser Musik war so fließend wie alles in diesem Konzert. So wirkte auch eine Komposition mit dem Titel „Bosnia“ weder frivol noch peinlich im vielseitigen Programm des Trios. Kunstvoll gesetzte Dissonanzen zerrissen eine volkstümliche Melodie immer wieder, bis diese sich in ein Trauerlied verwandelte. Als Zugabe wurde dann mit gestrichener Begleitung noch der Witz von einem Cellospieler im Urwald erzählt. Verblüffend, was drei Streicher zusammen alles anstellen können. Willy Taub