Der Otto-Katalog

■ Das "moderne Nachrichtenmagazin" Focus: ein Langweiler

Die Titelseite erinnert verdächtig an die Zeitschrift Auto- Motor-Sport, das Innenleben eher an eine Werbebroschüre: Focus, das neue Nachrichtenmagazin, ist – wie vom Hause Burda versprochen – eine Gattungserweiterung auf dem News-Sektor. Es ist der erste Otto-Katalog für Nachrichten.

Kurze knappe Geschichten werden dem Leser zum schnellen Verzehr angeboten, garniert mit vielen erklärenden bunten Graphiken, Tabellen, Zitatkästen und Fotos, deren Qualität allerdings Wünsche offen läßt. Die Menge an Elementen macht die Seiten zudem eher unübersichtlich, der Vierfarbdruck erschwert die Unterscheidung zwischen den redaktionellen optischen Anreizen und denen der Werbung. Witzig allerdings die Idee, Oskar Lafontaines roten Pragmatiker-Kopf in ein ebenso rotes Kandinsky-Gemälde zu integrieren, wodurch dem Saarland- Fürst ein Horn diabolischer Prägung aus dem Mittelkopf wächst. Ein Gag, der die Peinlichkeit des Gesprächs jedoch kaum übertünchen kann. Denn während die Focus-Redakteure den SPD-Mann in recht konventionellem Stil befragen (Lafontaine: „Wir brauchen ein neues Staatsverständnis“), läßt der Spiegel, der offenbar Wind bekommen hatte von dem Gespräch, Muskeln und Beziehungen spielen und enttarnt mit großem Brimborium Lafontaines Verbindungen zur Unterwelt. Eine Blöße, symptomatisch für den gesamten Blattinhalt, der schlicht mit den Worten zu beschreiben ist: ungenügend recherchiert, langweilig und unaktuell. Das Tankerunglück vor den Shetlands, der gescheiterte Aufbau Ost, die Bilanz des UN- Generalsekretärs Butros Ghali werden aufgewärmt, aktuelle Berichte über die anhaltende Asyldebatte, die hitzige Blauhelmdiskussion, der Politikverdruß und seine radikalen Folgen fehlen konsequent. Zum Trost wird beim Thema innere Sicherheit suggeriert, daß Helmut Kohl „die Notbremse ziehen“ kann, und schon ist alles wieder in Ordnung. So einfach ist das bei Focus. Auch beim Versuch, selber Themen zu setzen, hat das Team um Helmut Markwort zielsicher danebengegriffen. Oder ist die Nachfolge Weizsäckers doch die Frage, die die Republik erschüttert?

Wahrlich dramatisch stellt sich die Nachrichtenlage in der Auslandsberichterstattung dar. Sowohl die Plazierung als auch der Umfang lassen den Stellenwert erkennen, den Focus dem Ausland beimißt. Zwölf Seiten entdeckt der Leser eher zufällig, wenn er Kultur, Forschung und Technik, Modernes Leben (18 Seiten) und den Wirtschaftsteil durchgeblättert hat. Was er vorfindet, ist dürftig. Eine Seite zum Irak-Konflikt, eine nichtssagende Mafia-Geschichte ohne Hintergründe. Selbst die große Reportage kommt aus der Schublade: Statt eines aktuellen Themas wird der Dauerbrenner Belfast strapaziert. Ob die zwei Autogeschichten dem Leser darüber hinweghelfen können?

Ambitioniert tönte es aus der Münchener Arabellastraße: Ein schlankes Magazin wollten sie machen. Mager ist es geworden. Michaela Schießl