Alliierte bombardieren erneut im Irak

■ Radio Bagdad spricht von 21 Toten am Montag/ Angriff am Sonntag ein Fehlschlag

Berlin (taz/AP/dpa/AFP) – Mit versteinerten Gesichtern versammeln sich Familienangehörige und Freunde vor dem schwer verwüsteten Hotel El Rashid in der irakischen Hauptstadt. Sie wollen der 24jährigen Empfangsdame und dem Kongreßbesucher die letzte Ehre erweisen, die in der Nacht zum Sonntag in der Hotelhalle durch die Explosion eines Geschosses getötet wurden. Mindestens 15 Menschen seien durch den Angriff der westlichen Alliierten auf das Hotel verletzt worden, sagt ein Angehöriger. „Die Amerikaner, die wir sehen, werden wir töten“, kündigt er erbittert an.

Noch während die Demonstration vor dem Hotel stattfindet, sind bereits erneut Kampfflieger der USA, Frankreich und Großbritannien in der Luft, um einen neuen Angriff in der südlichen und nördlichen Flugverbotszone zu fliegen. Zum dritten Mal innerhalb von sechs Tagen wurde damit die Serie schwerer militärischer Schläge fortgesetzt. Ab 7.30 bis 12.30 Uhr MEZ wurden im Süden vier Stellungen von Flugabwehrraketen angegriffen, die bei dem ersten Angriff am Mittwoch verfehlt worden waren. Welche Ziele die Alliierten im Norden bombardierten, blieb zunächst unklar. Eine türkische Nachrichtenagentur meldete lediglich den Abschuß einer irakischen Militärmaschine. Nach Angaben von Radio Bagdad wurden durch die Luftangriffe am Montag 21 Menschen getötet. Bagdad bestätigte auch die Zerstörung von Militärmaterial, ohne Einzelheiten zu nennen.

Nach britischen Angaben wurde ein Militärstützpunkt nördlich von Basra zerstört, Radio Bagdad behauptete, die Stadt Samaua sei dabei getroffen worden. Während weitere Einzelheiten über die Ergebnisse der Bombardements von Montag am gestrigen Nachmittag noch nicht vorlagen, wurde dagegen immer klarer, daß der Cruise-Missile-Angriff auf die Fabrik in Zafaranieh, in der angeblich Teile für irakische Atomwaffen produziert würden, ein kompletter Fehlschlag war. Ein Sprecher der Wiener Atomaufsichtsbehörde IAEO, die weltweit die Verbreitung von atomarem Material kontrollieren und verhindern soll, berichtete, die fragliche Fabrik sei seit langem stillgelegt und jetzt ohne Bedeutung. Nach irakischen Angaben handelt es sich dagegen um eine zivile Maschinenfabrik. Bei einem Pressebesuch in der zerstörten Fabrik betonte deren Direktor, das Werk diene keinem Atomprogramm, sondern dem Wiederaufbau des Landes. Ein Sprecher der UN-Sonderkommission für die Abrüstung des Irak teilte unterdessen mit, die Anlagen könnten sowohl für zivile wie für militärische Zwecke genutzt werden. Auch der Einschlag im Hof des El-Rashid-Hotels stammt wohl von einer Cruise-Missile – strittig ist nur, ob es sich um Teile eines abgeschossenen Marschflugkörpers, eines fehlgeleiteten Geschosses oder um einen gezielten Schuß gehandelt hat, was das Pentagon heftig bestreitet. In dem Hotel sind zahlreiche ausländische Journalisten untergebracht. Irakische Medien machen die Amerikaner für die Explosion verantwortlich. Es gibt jedoch auch Spekulationen, das Hotel könnte von einer Rakete der irakischen Luftabwehr getroffen worden sein. Unter den Verletzten ist auch ein deutscher Journalist, der (wie andere Verletzte auch) von Saddam Hussein im Krankenhaus besucht wurde.

Die Bundesregierung hat sich hinter die neuen Luftangriffe der Golfkriegsalliierten gegen den Irak am Montag gestellt. Die Regierung habe bereits in der vergangenen Woche beim ersten Schlag der Alliierten gegen den Irak ihre Unterstützung deutlich gemacht, sagte Regierungssprecher Dieter Vogel am Montag vor Journalisten in Bonn. Dies gelte „selbstverständlich auch heute“.

Der gewählte US-Präsident Bill Clinton bekräftigte am Sonntag abend, er stehe „voll und ganz“ hinter der Aktion seines Amtsvorgängers George Bush. Ein Sprecher des russischen Außenministeriums, Viktor Gogitidse, erklärte: „Es ist eine Sache, Militärstützpunkte zu bombardieren. Etwas anderes ist es, wenn Bomben zivile Ziele treffen.“ Der irakische Präsident bezeichnete den Luftangriff vom Sonntag als „totalen Fehlschlag“. In einer Radioansprache, die kurz nach Verstummen der irakischen Luftabwehr am Sonntag abend ausgestrahlt wurde, forderte er seine Truppen auf, die Angreifer zu „treffen“ und sich der irakischen Geschichte und der dem Land „von Gott zugewiesenen Mission“ würdig zu erweisen. In Washington hieß es am Montag, weitere Angriffe seien nicht ausgeschlossen. Seiten 3 und 10