■ Eine Verlobung beunruhigt das japanische Kaiserhaus
: „Masako soll vorgehen!“

Tokio (taz) – „Masako-san!“ Er nannte sie sogar beim Namen. So richtig freundlich und menschlich ging es zu, als Kronprinz Naruhito und Freundin Masako Owada gestern in Tokio vor der Presse ihre Verlobung bekanntgaben. Eigentlich muß er nun einen neuen Namen für sie finden. Schließlich gehört die 29jährige Karriere-Diplomatin Masako mit der Verlobung zur Kaiserfamilie, und da lautet die übliche Anrede „Ihre Hoheit“. So nannte auch die Verlobte schon gestern ihren Verlobten.

Masako Owada fiel also nicht aus dem Rahmen. Brav hatte sie sich zur Verlobung ein Rosenhütchen aufgesetzt und sich in ein gelbes Kostüm gepreßt, das ihre hübsche Figur zum Strich verformte. Früher stand sie noch auf Schwarz, breite Seidenhosen und enge Gürtel. Damals studierte sie in Harvard oder Oxford oder ging einfach auf Partys zu Freunden in Tokio. Sie war eine junge, erfolgreiche Diplomatin, die freilich schon im Blickfeld der Medien stand, weil man sie einmal mit dem Kronprinzen gesehen hatte. Masako Owada ließ sich jedoch von der Liste der Kandidatinnen schnell wieder streichen. Das war vor fünf Jahren, und sie hatte anderes vor, als Kaiserin zu werden. Schließlich nahm sie ihren Beruf ernst. Dabei schien sie mühelos in die Fußstapfen ihres Vaters Hisahi Owada zu treten, dem derzeitigen Vizeminister im Außenministerium.

Zwei Monate nahm sie sich Zeit, über das Ende ihrer Karriere zu entscheiden. Anfang Oktober hatte der Kronprinz sein Heiratsangebot ausgesprochen, und erst Mitte Dezember willigte sie ein. Vielen japanischen Männern, die heiraten wollen, geht es heute ähnlich. Doch daß auch der Kronprinz Geduld übt und dann noch offen von ihr redet, ist schon eine kleine Sensation im Sittenkalender des japanischen Kaiserhauses. „Einen Sieg der Geduld“ nannte eine Hausfrau gestern die Verlobung.

Tatsächlich mußte Naruhito nicht nur Masako gewinnen. Mindestens ebenso schwierig war es, die Beamten des Kaiserhofes von der Dame zu überzeugen. Gegen Masako sprach der Großvater: Als Vorstand der Firma Chisso hatte er genau jenes Unternehmen geleitet, das in den fünfziger Jahren für den weltweit berüchtigten Minamata-Skandal verantwortlich war. Über tausend Tote hatten die Quecksilbervergiftungen in der Bucht von Minamata gekostet, und noch immer klagen Angehörige und Opfer auf Entschädigung. Vor allem aber hatte sich die Nation über Minamata gespalten. Durfte die Enkelin da Kaiserin sein? Die Zeit entschied für Masako. Denn allmählich wurde die Brautsuche selbst zu einem Skandal. Naruhito hatte früh gewarnt, daß er sich erst mit 30 eine Frau suchen werde. Doch inzwischen war er 32. Wilde Gerüchte kursierten. Um dagegen anzugehen, bewirkte das Kaiserhaus einen landesweiten Berichterstattungsstopp über den Kronprinzen, der von allen Medien bis zum 6. Januar über mehr als neun Monate eingehalten wurde. Seit dem Tag aber berichten die Zeitungen über nichts anderes. Selbst Ökonomen sehen bereits das Ende der Rezession, weil die bevorstehende Hochzeit Japan in einen Stimmungsrausch versetze. Doch meldeten sich auch Kritikerinnen zu Wort: „Ich habe mir keine Diana, sondern eine Margaret Thatcher gewünscht, und Masako hätte das Zeug dazu“, meinte eine 29jährige Dolmetscherin gegenüber der Tageszeitung Asahi Shinbun. Wohl haben es in der japanischen Kaisergeschichte die Frauen kaum geschafft, aus dem Schatten ihrer Männer zu treten. Und Masako? „Alle Frauen des Kaiserhauses sind bisher immer einen Schritt hinter ihren Männern gegangen“, sagte eine weitere Altersgenossin. „Masako soll vorgehen!“ Georg Blume