piwik no script img

Koakaindealer im Dienst der Guardia Civil

■ Spanische Drogenfahnder bezahlten Spitzel in Naturalien und orderten Stoff

Madrid (taz) – Die Aktion im Madrider Hotel Liabeny kam dem Hauptmann der spanischen Guardia Civil Jesus Nunez gleich merkwürdig vor. Ohne richterlichen Durchsuchungsbefehl wurde im April 1991 das Hotel von seinen Kollegen aus der „Zentraleinheit für Steuerermittlungen und Drogenbekämpfung“ (UCIFA) durchsucht und dabei 10 Kilo Kokain zutage gefördert. Dabei wurden zwar der Kokainkofferträger und ein Gast des Hotels, aber kein mutmaßlicher Käufer des Stoffs festgenommen. Darüber hinaus schien dem Hauptmann, daß in der Zentralstelle der Guardia Civil zwei Päckchen Kokain fehlten.

Bei der folgenden Aktion im selben Monat sah Nunez schon klarer: die Entdeckung von 30 Kilo Kokain in einer Wohnung in Madrid wurde von einem Spitzel vorbereitet. Wieder ging der Guardia Civil kein mutmaßlicher Händler ins Netz. Der Hauptmann wurde beauftragt, drei Kilo Koks in die Zentralstelle zu schaffen, doch bei der Bestandsaufnahme fehlten die drei Kilo. Auf Nachfragen wurde Nunez von seinem Vorgesetzten Major Ramon Pindado harsch zum Schweigen gebracht.

Jesus Nunez ist einer der 12 Mitglieder der UCIFA, die in den vergangenen sechs Wochen wegen Verdachts auf illegale Einschleusung von Drogen nach Spanien, illegale Bezahlung von Spitzeln mit Drogen und Abzweigen von beschlagnahmten Drogen zur eigenen Bereicherung festgenommen wurden und seither vor dem Untersuchungsrichter Jesus Garzon am Madrider Nationalen Gerichtshof aussagen. Der Stoff wurde häufig direkt durch die Polizeispitzel angefordert. So sagte der Spitzel Jose Luis Recuero aus, im Büro des früheren Chefs der Drogenfahnder des Obersten Arsenio Ayuso, sei 1990 eine Operation vorbereitet worden, um 500 Kilo Kokain aus Bolivien nach Spanien zu schleusen. Ayuso habe seine Genehmigung erteilt. Das Geschäft beschränkte sich schließlich auf 30 Kilo, von denen der Spitzel Recuero und ein Komplize je ein Kilo abbekamen. Ziel des Ankaufs war die Festnahme der Verkäufer beziehungsweise Dealer in Spanien – nur gingen den Fahndern oft niemand, manchmal ausschließlich der Kofferträger ins Netz. Die Spitzel bekamen ihre Provision dennoch ausbezahlt.

Die Ermittlungen verfolgen konkret die Spur einer Beschlagnahmung von 562 Kilo Kokain bei Barcelona 1988, wobei vermutlich 38 Kilo Stoff verschwanden, sowie die eines gezielten Drogenankaufs von zehn Kilo Kokain in Mallorca, die nie wieder auftauchten.

Die Zivilgardisten begnügten sich nicht mit dem Drogenankauf. So gestand der Zivilgardist Doroteo Gomez, einem Dealer 3,5 Kilo Kokain zum Weiterverkauf übergeben zu haben. Die 10 Millionen Peseten Gewinn teilte er sich mit dem Spitzel und einem anderen Zivilgardisten. Übereinstimmenden Aussagen zufolge sind die meisten Mitglieder der Drogenfahndungsgruppe dem Konsum von Kokain selber nicht abgeneigt gewesen.

Die kriminelle Energie der Zivilgardisten führte freilich weiter. Nachdem sie einen Tip bekommen hatten, wonach ein Transvestit an einem bestimmten Tag im Madrider Flughafen einen Brief mit Hinweisen auf den Drogenhandel der Guardia Civil einwerfen würde, versicherten sie den Angestellten des zuständigen Postamts, eine Briefbombe zu suchen. Die Angestellten händigten den Fahndern die gesamte Post des Briefkastens zur Kontrolle aus.

1988 ereignete sich ein weiteres unrühmliches Kapitel. Nachdem es der Einheit nicht gelang, zwei wegen Drogenhandels verdächtigen Zivilgardisten in Pamplona etwas nachzuweisen, befahl der Vizechef der Abteilung, Oberstleutnant Francisco Quintero, zwei Zivilgardisten, die Aktion müsse auf jedenfall erfolgreich sein. Die beiden Beamten schoben darauf den verdächtigen Kollegen Haschisch und Kokain unter, wonach sie festgenommen und verurteilt wurden.

Das Verfahren hat schlechtes Licht auf ein Korps geworfen, das in Spanien ohnehin keinen besonders guten Ruf genießt. Unklar ist, inwieweit die obersten Chargen der Guardia Civil an den illegalen Tätigkeiten beteiligt waren. Der Generaldirektor der Guardia Civil, Luis Roldan, betonte in einem Interview den Unterschied zwischen den verdächtigen Chefs, denen bislang keine persönliche Bereicherung nachgewiesen werden konnte, und ihren Untergebenen, die den Stoff gewinnträchtig weiterverscherbelt haben. Nach Ansicht von Leutnant Nunez hingegen war der vor einem Monat gefeuerte oberste Chef der Drogenfahnder, Oberst Rafael Garabito, seit mindestens zwei Jahren auf dem laufenden. Sowohl gegen Garabito als auch gegen seinen Vorgänger im Amt, Oberst Arsenio Ayuso, wurde inzwischen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Roldan, Generaldirektor der Guardia Civil, äußerte zwar „Beunruhigung“, sah jedoch keinen Grund für einen Rücktritt. Antje Bauer

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen