Heftige Kämpfe an der Drina

■ Bosnische Serben berieten über Genfer Friedensplan/ Annahme unter neuen Bedingungen möglich

Sarajevo/Zagreb/Pale (AP/ dpa) – Die Kämpfe um die strategisch bedeutsame Anhöhe Jezero am Grenzfluß Drina in Ostbosnien sind gestern mit aller Härte weitergegangen. Sie überschatteten eine Sitzung des sogenannten „Parlaments“ der Serben in Bosnien- Herzegowina, in der über die Annahme des Genfer Friedensplans beraten wurde.

Von Moslems eingeschlossene Einheiten der bosnischen Serben konnten nach einer Meldung der Belgrader Nachrichtenagentur Tanjug im Kampf um Jezero noch nicht aus dem Kessel ausbrechen. Von der Anhöhe aus kann die Drina an der Grenze zu Serbien kontrolliert werden. Außerdem kann das von Serben eroberte Bjeljina von Jezero aus mit weitreichenden Waffen bedroht werden. Die grenzüberschreitenden Kämpfe, in die die jugoslawische Bundesarmee seit dem Wochenende eingegriffen hatte, wiederholten sich nach Angaben von Tanjug nicht. Dafür habe kroatische Artillerie von Ostkroatien aus über den Grenzfluß Save hinweg in den von Serben beanspruchten Korridor in Nordbosnien hineingefeuert. Der Korridor für Nachschublieferungen aus Jugoslawien nach Westen sei aber dadurch nicht unterbrochen worden.

Die Kämpfe innerhalb der antiserbischen Allianz in Gornji Vakuf wurden demgegenüber gestern beendet. Wie der kroatische Rundfunk berichtet, legten die muslimischen Kämpfer in der Nacht zum Dienstag offenbar die Waffen nieder. Der Konflikt war letzte Woche ausgebrochen, nachdem Muslime und Kroaten Anspruch auf die alleinige Kontrolle der Stadt erhoben hatten.

Das selbsternannte „Parlament“ der Serben in Bosnien beriet unterdessen gestern nachmittag über den Genfer Friedensplan. „Parlamentspräsident“ Radovan Karadžić hatte dem Plan, der die Aufteilung der Republik in zehn Provinzen vorsieht, in Genf unter dem Vorbehalt zugestimmt, daß das „Parlament“ ihn billigt. Eine Zustimmung der Abgeordneten würde nach Auffassung von Beobachtern zumindest weitere Verhandlungen über die Zukunft Bosnien-Herzegowinas ermöglichen. Bei einer Ablehnung müßte mit weiteren Vorbereitungen einer ausländischen Militärintervention gerechnet werden. Die EG hatte den Serben bis gestern Zeit gegeben, den Plan anzunehmen.

Eine Annahme des Plans schien unter der Bedingung möglich, daß die bosnischen Serben die volle Kontrolle über den Nordkorridor Bosiens erhalten, der für den Zugang zur ihrer Bastion in Banja Luka im Westen sowie bis zu den Serbengebieten in Kroatien von entscheidender Bedeutung ist. Der Plan für die Einrichtung von Provinzen, der in Genf allerdings noch nicht verhandelt wurde, sieht eine Unterbrechung des Korridors durch eine für Kroaten und Moslems reservierte Provinz zwischen Brcko und Derventa vor. Der Nordkorridor gehört zu den wichtigsten Kriegszielen der bosnischen Serben.

Der als Parlamentspräsident bezeichnete Serbenfunktionär Momcilo Krajisnik erklärte vor der Sitzung: „Die Abgeordneten werden nichts annehmen, was unseren strategischen Zielen im Wege steht.“ Dazu gehört laut Krajisnik die „Freiheit, unseren eigenen Staat zu etablieren und die Serben in der Region miteinander zu verbinden“. Er fügte hinzu: „Wir haben nicht das Recht, bosnische Serben von den Serben in Serbien und Montenegro abzutrennen.“ Zuvor hatte Krajisnik eine Annahme des Plans für möglich gehalten, wenn dieser genau erläutert werde.

Parlamentspräsident Momcilo Krajisnik vertrat die Auffassung, der vor allem von den südostbosnischen Abgeordneten unterstützte Plan werde eine Mehrheit erhalten, sofern er in Pale in allen Punkten erläutert werde. Positiv äußerte sich auch Karadžićs Stellvertreter Nikola Koljevic. Karadzics zweite Stellvertreterin, Biljana Plavcic und Ministerpräsident Vladimir Lukic lehnten den Plan dagegen ab. Lukic gilt als einer der Falken aus der Region von Banja Luka im Nordwesten. Ihr Widerstand beruht auf der strittigen Frage des Nordkorridors.