Norwegen: Leck im Forschungsreaktor

■ Eine Panne im Kühlsystem war neun Monate lang verschwiegen worden

Oslo (taz) – Im norwegischen Atomforschungsreaktor Kyeller bei Oslo entstand im vergangenen Jahr ein Leck im Kühlsystem, das bislang verschwiegen worden war. Die staatliche norwegische Atomaufsichtsbehörde wollte, so ihr Chef Knut Gussgard zur taz, „die Öffentlichkeit nicht beunruhigen“.

Gussgard hat „keine Gefahr für Mensch und Umwelt“ gesehen, Der offizielle Untersuchungsbericht, den der norwegische Rundfunk nun am Dienstag veröffentlicht hat, läßt an dieser Version zweifeln. Bei dem Zwischenfall im April letzten Jahres war ein Leck in einer Rohrleitung des Kühlsystems entstanden, durch das etwa ein halber Liter „schweres Wasser“ austrat.

Zwar sei dabei „keine Radioaktivität über das normale Maß“ aufgetreten. Glücklicherweise war der Schaden entstanden, als der Reaktor abgeschaltet war.

Wie groß die Gefahr gewesen wäre, wenn der Reaktor in Betrieb gewesen wäre, wollte Knut Gussgard nicht abschätzen, er antworte nicht auf „bloß hypothetische Fragen“.

Als Ursache für das Leck gilt offiziell eine „Kombination von Materialermüdung und Materialfehlern“. Der Forschungsreaktor in Kyeller ist mit 26 Jahren einer der ältesten noch betriebenen Atomreaktoren in Europa. Er wird – wie ein zweiter norwegischer Forschungsreaktor bei Halden – vom staatlichen Institut für Energietechnik betrieben.

Beide Anlagen stammen noch aus der Zeit, als auch in Norwegen der Aufbau einer Atomwirtschaft diskutiert wurde. Entsprechende Pläne waren zu Beginn der achtziger Jahre aber aufgegeben worden.

UmweltschützerInnen fordern schon lange die Stillegung der beiden Reaktoren. Die Regierung verteidigte jüngst ihren Weiterbetrieb mit dem Argument, daß hier auch Erkenntnisse gesammelt würden, wie die gefährlichen russischen Atomkraftwerke sicherheitstechnisch „nachgebessert“ werden könnten.

Tatsächlich werden die beiden Forschungsreaktoren bisher hauptsächlich für – lukrativere – Auftragsarbeiten aus Finnland, Schweden, Japan, Deutschland und den USA genutzt. Im vergangenen Jahr waren zum Beispiel 36 radioaktive Brennstäbe aus der britischen Wiederaufbereitungsanlage Dounreay nach Norwegen transportiert worden. AtomkraftgegnerInnen protestierten lautstark, die Fracht enthielt neben 45 Kilogramm Uran auch ein Pfund Plutonium. Peinlich: Norwegen setzt sich international sowohl für eine Stillegung von Dounreay ein als auch für ein Verbot gefährlicher radioaktiver Transporte übers Meer. Trotzdem hatte Oslo die Transporte der Brennstäbe auf normalen Frachtschiffen genehmigt, nachdem eine Zeitlang sogar einfache LKWs mit dieser Ladung auf Autofähren geduldet worden waren. „Geht so ein Schiff unter“, so Seefahrtsdirektor Emil Jansen vom Verkehrsministerium, „würde es keine Gefahr für die Umwelt darstellen. Mit dem Transport von Tonnen von Plutonium nach Japan ist das nicht zu vergleichen.“

Björn Bore, Sprecher der norwegischen Umweltschutzgruppe „Natur und Umwelt“, sieht das anders: „Radioaktivität ist Radioaktivität. Ob für ein Atomkraftwerk, eine Plutoniumfabrik oder einen Forschungsreaktor.“ Reinhard Wolff