Schröder zwischen allen Stühlen

■ Das rot-grüne Koalitionsklima in Hannover verschlechtert sich/ Grüne mahnen Schröder zu „Kabinettsdisziplin“

Hannover (taz) – „Das Klima innerhalb unserer rot-grünen Koalition ist leider nicht mehr so schön, wie man sich das wünscht“, stellt der niedersächsische Bundesratsminister Jürgen Trittin fest. Ausgerechnet bei Ministerpräsident Gerhard Schröder selbst, mit dem er einst gemeinsam das rot- grüne Bündnis in Niedersachsen aus der Taufe gehoben hatte, mahnt der Grünen-Politiker heute die „Kabinettsdiziplin“ an. „Ich erwarte, daß sich der Ministerpräsident nun zur Kabinettsauffassung zurückbegibt“, erklärt Jürgen Trittin mit Blick auf den umstrittenen U-Boot-Export nach Taiwan, für den sich Schröder in mehreren Gesprächen in Bonn stark gemacht hatte. Die rot-grüne Kabinettsauffassung zu Rüstungsexporten sei eindeutig, meint Trittin: „Kein Export von Rüstungsgütern in Länder außerhalb der Nato“, verlangt ein Vorstoß zur Grundgesetzänderung, den Niedersachsen im Bundesrat eingebracht hat.

Auf einer Pressekonferenz gestern gab sich Schröder gelassen. Ja, er habe im Dezember mit Jürgen Möllemann und Helmut Kohl über den 20-Milliarden-Rüstungsauftrag gesprochen. Ja, er wolle diese Exporte, um den Werften zu helfen. Nein, er verstoße damit nicht gegen die Kabinettsdisziplin, denn der von Trittin zitierte Entwurf sei nicht Kabinettsbeschluß. Ob die Grünen mit diesen Erklärungen zufrieden sein werden, bleibt abzuwarten.

Schröders U-Boot-Bemühungen sind nicht der erste Fall, in dem der ambitionierte Ministerpräsident durch seine Übungen auf dem Bonner Parkett daheim beim grünen Koalitionspartner in Schwierigkeiten kommt. Vor der Bonner SPD-Asylklausur hatten die Grünen den Ministerpräsidenten dringend gebeten, nicht auch noch Mitglied in der SPD-Verhandlungskommission zu werden. Ihnen reichte völlig aus, daß Schröder in seiner Partei maßgeblich den Weg für eine Änderung des Artikel16 geebnet hatte. Als dann der Artikel16 mit dem Asylkompromiß gefallen war, stellte die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Thea Dückert, zum erstenmal seit der Regierungsbildung in Niedersachsen klar die Koalitionsfrage. Falls die niedersächsische SPD-Fraktion per Abstimmung im Landtag den Asylkompromiß mittrage, bedeute dies das Ende des rot-grünen Bündnisses in Niedersachsen. Jetzt haben SPD und Grüne gemeinsam eine kurze, reichlich seltsame Resolution eingebracht, in der es nacheinander heißt, daß „die Fraktion der SPD dem Ministerpräsidenten für das Zustandekommen der Bonner Vereinbarung dankt“ und daß „die Fraktion der Grünen erhebliche Einwände gegen die Vereinbarung hat und diese strikt ablehnt“.

Beim U-Boot-Geschäft drohte dann Bundesratsminister Jürgen Trittin: „Wenn weiter Kabinettsbeschlüsse per Ordre de Mufti zur Makulatur erklärt werden, ist die Geschäftsgrundlage der Koalition nicht mehr gegeben.“ Trittin hatte, vor Schröders gestrigen Äußerungen, noch „den Eindruck, daß Gerhard Schröder diesen Kurs weiter fortsetzen möchte“. Trittin hatte schon vor Weihnachten bei Schröder massiv Bedenken geltend gemacht, als es erstmals hieß, die SPD-Regierungchefs Norddeutschlands würden sich gemeinsam für U-Boot-Lieferungen nach Taiwan stark machen.

Wenn Gerhard Schröder nach einem möglichen Wechsel von Niedersachsen nach Bonn befragt wird, pflegt er zu antworten: „Lieber Erster in der Provinz als zweiter in Rom“ – allerdings mit dem unbescheidenen Hinweis, daß dies ein Zitat von Cäsar sei, der bekanntlich in der Provinz die Truppen sammelte und später die Macht in der Haupstadt übernahm. Bei den niedersächsischen Grünen gilt Gerhard Schröder längst nicht mehr „als Vertreter des rot-grünen Projektes in der SPD“. Schließlich hatte er als erster öffentlich die große Koalition in Bonn empfohlen. Mit der Befürwortung der U-Boot-Lieferungen hat sich der immer taktierende Niedersachse jetzt wiederum ebenso zwischen die Stühle gesetzt wie zuvor beim Asylkompromiß. Kritik an dem Rüstungsdeal kommt inzwischen selbst aus seiner eigenen niedersächsischen SPD-Landtagsfraktion. Björn Engholm bestreitet, daß die Regierungschefs der Küstenländer, in deren Namen Schröder in Bonn vorstellig geworden sein will, ihm dazu einen Auftrag erteilt hätten: „Ich habe an keiner Sitzung in diesem Zusammenhang teilgenommen.“ ü.o.