„Mir wurden die Augen verbunden“

■ Nach zweiwöchiger Odyssee schilderte die Bremerhavener Lehrerin ihr Erlebnisse in der Türkei

„Sie haben angefangen, mich zu foltern. Sie haben mir die Augen zugebunden, haben versucht, mich mit Worten zu provozieren.“ Vor der Presse berichtete Gönül Baki gestern von ihren Erlebnissen in der Türkei. Anderthalb Stunden lang hätte sie mit ihrem geschiedenen Mann bewegungslos im Schnee stehen müssen: Mit den Augen hätten sie einen Punkt an der Wand fixieren müssen. Zuerst habe man sie auch zu zwingen versucht, dabei auf einem Bein zu stehen. Polizisten hätten ihr immer wieder mit dem Gewehr gegen die Schulter gestupst: „Auf dem Polizeirevier zur Terrorbekämpfung bin ich sehr schlecht behandelt worden.“

Zwei Wochen lang war die Bremerhavener Lehrerin nach einer Urlaubsreise in der Türkei festgehalten worden. Vor den Mißhandlungen hatte sie auch ihr deutscher Paß nicht retten können: Widerrechtlich hatte die Polizei ihr den Ausweis abgenommen, ihn auch erst in letzter Minute und auf Insistieren des Beamten vom deutschen Generalkonsulat zurückgegeben. Bis zuletzt habe sie Angst gehabt, daß die türkischen Behörden ihr etwas anhängen und sie verschwinden lassen. Die Deutsche Botschaft in Ankara und das Generalkonsulat in Istanbul hätten sie aber bis zum Schluß sehr gut betreut, sie auch bis zum Flugzeug begleitet. „Sie sind kein Einzelfall. Auch sicher nicht die Letzte“, habe der Konsulatsbeamte ihr am Flughafen Berichte von Türken bestätigt.

Nur durch einen Zufall war es Gönül Baki bei ihrer Festnahme vor zwei Wochen gelungen, Kontakt zur Botschaft aufzunehmen: Ein Türke, dem gleiches widerfahren war, hatte ihr noch bei der Flughafenpolizei Telefonnummer und —karte zugesteckt. Als während ihrer Vernehmung dann die Ankunft des Konsulatsvertreters durchsickerte, habe sich der Umgangston schlagartig geändert. Gönül Baki: „Mir wurde sofort die Augenbinde abgenommen.“

Trotzdem wurde die deutsche Staatsangehörige mit ihren Rechtsanwälten durchs ganze Land geschickt, um ihre Akten zu suchen und Vorwürfe gegen sie aufzuklären. Trotz Generalamnestie im vergangenen Jahr war ihr die Mitgliedschaft in der türkischen Lehrerorganisation TÖB-DER als staatsfeindliche Aktivität vorgeworfen worden. Dies liegt jedoch über zwölf Jahre zurück. Doch ihre Gewerkschaftsarbeit bei der GEW in Deutschland sei als Fortsetzung ihrer staatsfeindlichen Aktivitäten interpretiert worden. Eine Reise in die DDR wurde zum Indiz, daß Gönül Baki für die kommunistische Partei tätig sei. In ihren Akten hatte Gönül Baki übrigens den Namen ihres Spitzels gefunden. ra