Hofnarr des New Deal

■ Chronik einer echten Tellerwäscherkarriere – Frank Capras „Autobiographie“

Filme wollte er machen, mit denen er auf seine Weise „Danke, Amerika“ sagen konnte. Frank Capra war der Hofnarr des New Deal Roosevelts; „Mr.Deeds goes to town“, „Mr.Smith goes to Washington“ und „Meet John Doe“ waren sentimentale Pamphlete des Patriotismus. Capras Helden, einfache Menschen aus dem Volk, begehrten gegen soziale Mißstände auf. In seinen Screwball Comedies züngelten, bei allem Optimismus, Verzweiflung und ein leichtes Unbehagen am frohlockenden Materialismus der US-Gesellschaft. Capra wurde nicht müde, Hollywood als einen Hort künstlerischer Freiheit zu feiern: Wo sonst hätte er ungehindert Filme machen können, in denen er die Schwächen Amerikas anprangern durfte? Seine Autobiographie, lange nach dem Ende seiner Regiekarriere geschrieben, beweist, daß er dem amerikanischen Traum nichts schuldig bleiben wollte. Es ist die Chronik einer echten Tellerwäscherkarriere, in deren Verlauf ein sizilianischer Einwandererjunge sich zu einem der größten Steuerzahler Kaliforniens mausert. Ursprünglich wollte er Ingenieur werden. Später sollte ihm nur noch dasKino als etwas Magisches erscheinen. Seine Hollywoodkarriere ist rasch erzählt: Die erste Filmregie erschlich er sich durch eine kleine Hochstapelei, arbeitete dann zunächst als Gagschreiber für Hal Roach, erlangte ersten Ruhm als Regisseur einiger Komödien des Stummfilmkomikers Harry Langdon und bescherte in den dreißiger Jahren Columbia erste Oscar-Ehren. Capra verschweigt nicht, wie schwer es ihm fiel, in den Nachkriegsjahren im veränderten Filmgeschäft Fuß zu fassen: Das von ihm propagierte kreative Monopol der Regisseure war in Frage gestellt; die Agenten der mächtigen Stars bestimmten über Gedeih und Verderb einer Produktion.

John Ford preist Capras Lebenserinnerungen in seinem Vorwort als das beste, ja, das einzige Buch, das je über Hollywood geschrieben wurde. Seine Egozentrik gerät Capra jedoch ständig in die Quere. Zwar weiß er Studiotyrannen wie Mack Sennett und Harry Cohn witzig zu karikieren, alle anderen Wegbegleiter jedoch – und das schließt auch seine Ehefrauen ein – bleiben farblose Randfiguren.

Capra wahrt seinen eigenen Mythos. Seine Obsession, um jeden Preis Geschichten zu finden, mit denen sich Oscars und das Lob der Ostküstenkritiker erringen lassen, schnürt dem vermeintlichen Idealismus seiner Filme nachträglich die Luft ab.

Dank ihres Witzes, dank der Entschiedenheit ihrer Handlungsführung und ihres visuellen Reichtums, der sich im schillernden Wechselspiel von Realismus und Romantik entfaltet, sind Capras Komödien erstaunlich gut gealtert. Über ihre politische Aussage ist die Zeit jedoch mittlerweile hinweggegangen. Capras Helden erscheinen aus heutiger Sicht als zutiefst konservative Rebellen. Auf den Kontroversen, welche die Filme seinerzeit auslösten, ruht mittlerweile die Patina ihres idyllischen Patriotismus. Insgeheim verraten sie eine größere Liebe zur Demagogie, als den liberalen Bewunderern des Regisseurs lieb sein kann.

Capra schrieb sein Buch zu einer Zeit, in der Homosexuelle und Kriegsdienstverweigerer mit dem gleichen Selbstbewußtsein für ihre Rechte eintraten wie seinerzeit die John Does seiner Filme. In einer solchen Welt fand er sich nicht mehr zurecht; die letzten Kapitel dokumentieren das in einer Weise, die die Toleranz eines zeitgenössischen Geistes mitunter auf eine harte Probe stellen. Es gehört eine Risikobereitschaft dazu, heute ein derart gründlich unzeitgemäßes Buch zu verlegen. Eine Geste, deren Mut bewundernswert, deren Notwendigkeit indes schwerlich einzusehen ist. Einem Publikum, das sich heute Capras Filme erschließen möchte, ist damit jedenfalls kein Gefallen getan.

Bei allen Vorbehalten gegenüber dem Buch: eine solch nachlässige Übersetzung hätte man ihm nicht gewünscht. Capras Stil stellt jeden Übersetzer vor schier unlösbare Aufgaben: Sentimentalität, Pathos, Witz und Ironie gehen eine schwer einschätzbare Mischung ein. Manch schiefe Metapher hätte wohl geradegerückt werden müssen. Sylvia Höfers Übersetzung macht jedoch offenkundig, daß sie dieser Aufgabe nicht gewachsen war: oft belehrt mich gar mein simples Schülerlexikon eines Besseren. Ein Studio-„backlot“ wird hier mit „Hinterhof“ übersetzt, ein „stage director“ verwandelt sich unerklärlicherweise in einen „art director“, nicht, wie man es vermutet hätte, in einen „Bühnenregisseur“.

Man mag sich mit der Zeit in diesen übersetzerischen Flickenteppich einlesen, einige geschmackliche Entgleisungen kann man deshalb doch nicht entschuldigen. Höfer scheut sich nicht, „a musical comedy funny man“ mit „ein Doofi aus einer Musikkomödie“ zu übertragen.

Die Übersetzung hätte indes noch aus anderen Gründen ein strengeres Lektorat verlangt. Wer den Mut hat, ein solch entlegenes Kapitel Filmgeschichte aufzuschlagen, der sollte beispielsweise auch wissen, daß sich hinter Capras Freund „Wally Beery“ nicht irgendein „Walter Beery“ verbirgt, sondern Wallace Beery, einer der größten Stars der frühen dreißiger Jahre. Über diesen Mangel an Wissen können auch die vereinzelten Anmerkungen nicht hinwegtäuschen, die die Übersetzerin gegen Ende des Buches einstreut. Ein Buch wie das Capras, das voller Anspielungen und auch Ungereimtheiten steckt, hätte Hunderte solcher Erklärungen verlangt. Gerhard Midding

Frank Capra: „Autobiographie“. Übersetzt von Sylvia Höfer. Mit einem Nachwort von Norbert Grob. Diogenes 1992, ca.89 DM.