Die bosnischen Serben lenken ein

■ Das „Parlament“ der serbischen „Republik“ von Radovan Karadžić sprach sich mit großer Mehrheit für die Annahme des Genfer Friedensplans aus/ Zwischen Muslimen und Kroaten kriselt es

Pale/Sarajevo/Zagreb (taz/ AFP/AP) – Noch nie waren so viele Journalisten nach Pale gekommen. Den 71 „Abgeordneten“ des „Parlaments“ der bosnischen Serben, die in der Kleinstadt östlich von Sarajevo am Dienstag zusammenkamen, standen im Versammlungssaal 132 Vertreter der Medien gegenüber. Am frühen Mittwoch nachmittag war es dann soweit: Eine deutliche Mehrheit von 55 „Abgeordneten“ stimmte für die Annahme des von Vance und Owen, den beiden Kopräsidenten der Jugoslawien-Konferenz, vorgelegten Friedensvorschlags für Bosnien-Herzegowina.

Radovan Karadžić, „Präsident eines selbstproklamierten serbischen Staates“, hatte zu Beginn der Diskussion den „Abgeordneten“ die Annahme des Plans nahegelegt, zumal das militärische Hauptziel der vergangenen neun Monate, der Schutz der serbischen Bevölkerung in Bosnien, erreicht worden sei. Nunmehr gelte es, so der bosnische Serbenführer, „die noch nicht erfüllten Rechte der Serben auf politischem Weg zu sichern“. Karadžić hatte für den Fall, daß ihm die Versammlung nicht folgen würde, seinen Rücktritt angeboten. Die Opposition der Hardliner führte seine Stellvertreterin Biljana Plavsić an, die vor dem „Verlust von Souveränität und Territorien“ warnte. In der Versammlung fiel auch das Wort von der „Kapitulation vor dem Diktat aus Genf“.

Der Vorschlag von Vance und Owen ist ein Paket aus drei Teilen. Es geht hierbei um die Verfassung eines künftigen Bosnien-Herzegowina, um die konkrete Grenzziehung zwischen künftigen Provinzen und um die militärische Deeskalation, vor allem die Abgabe der Waffen schwerer Artillerie. In Pale stand lediglich der erste, allerdings grundsätzlichste Punkt zur Debatte: Bosnien-Herzegowina soll demnach ein „dezentralisierter Staat“ werden, „in dem die meisten Regierungsfunktionen von seinen Provinzen ausgeübt werden“. Die Annahme dieses Vorschlags bedeutet zunächst einmal den Verzicht auf einen eigenen serbischen Staat. Doch besteht durchaus die Gefahr, daß – was der Verfassungsvorschlag zwar implizit verbietet – sich Teile dieses Staates später per Referendum an ihre „Mutterländer“ Serbien oder Kroatien anschließen, zumal die Provinzen im großen und ganzen nach ethnischen Kriterien gebildet werden und nach der Vertreibung von etwa zwei Millionen Menschen auch weitgehend ethnisch homogen sind. Mit Sicherheit werden also nun in Genf die Verhandlungen wieder aufgenommen.

Dabei wird es vor allem um die Grenzziehung gehen. Bislang hat allein die kroatische Seite den Genfer Vorschlag in vollem Umfang akzeptiert. Kein Wunder, ihre Gebiete im Norden Bosniens und im Westen der Herzegowina schließen direkt ans „Mutterland“ an, und im übrigen würde ihr eine ganze Reihe Provinzen zugestanden, die mehrheitlich muslimisch besiedelt sind. Dies ist wohl auch der Hintergrund der jüngsten militärischen Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Kroaten in Gornji Vakuf. In der Stadt 80 Kilometer westlich von Sarajevo lebten nach offiziellen Angaben von 1991 neben 56 Prozent Muslimen 43 Prozent Kroaten und ein Prozent Serben. Da die Stadt trotz dieser Mehrheitsverhältnisse künftig kroatische Provinz werden soll, verlangte die örtliche Kommandantur der bosnisch-kroatischen Miliz HVO schon jetzt die Unterstellung der lokalen Einheiten der bosnischen Armee, in der im wesentlichen muslimische Soldaten kämpfen, unter ihr Kommando. Die Auseinandersetzung wurde mit der militärischen Einnahme Gornji Vakufs durch bosnisch-kroatische Verbände entschieden.

Die Auseinandersetzungen um Gornji Vakuf haben zur bisher schwersten Krise zwischen den Regierungen in Zagreb und Sarajevo geführt. In einer gemeinsamen Sitzung des Staatspräsidiums und der Regierung von Bosnien-Herzegowina wurde am Dienstag beschlossen, Kroatien als „Aggressor“ zu behandeln, sollten die Kämpfe zwischen kroatischen und muslimischen Einheiten nicht binne 24 Stunden eingestellt werden. Präsident Izetbegović wurde im bosnischen Fernsehen einer zu weichen Haltung gegenüber seinem kraotischen Amtskollegen Tudjman bezichtigt. Um den Konflikt zu entschärfen, wollten noch gestern Vance und Owen in Zagreb und Sarajevo vorsprechen. thos