Ost: Alte Handelsbeziehung erneuert

■ Der ungarische Bushersteller Ikarus konnte erstmals nach der Vereinigung wieder Busse nach Deutschland verkaufen / Hoffnung auf Neuerschließung des alten Marktes in den neuen Bundesländern

Budapest/Berlin (taz) – Der ungarische Bushersteller Ikarus, einst Hoflieferant der DDR, hat zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung wieder Busse in Deutschland verkauft. Der Ikarus-Vertreter in Deutschland, Andras Nyari, übergab gestern zwei Stadtbusse aus der neu entwickelten 400er Typenreihe an den Verkehrsbetrieb im sächsischen Rodewisch (Vogtland) für den Linienverkehr.

Noch vor fünf Jahren hätten Mitarbeiter der Ikarus-Verkaufsabteilung über eine derartige Bestellung gelächelt und sie in den Papierkorb wandern lassen. Der Fahrzeuggigant, damals einer der größten der Welt, rechnete in drei- bis vierstelligen Stückzahlen. Die DDR beispielsweise kaufte jährlich rund 1.000 Busse.

Mit dem Zerfall des osteuropäischen Wirtschaftsraumes setzte jedoch auch Ikarus zum Sturzflug an. Als im Januar 1991 im Bereich des RGW (Comecon) die Dollarabrechnung eingeführt wurde, verlor das Unternehmen auf einen Schlag den überlebenswichtigen Ostmarkt, auf dem 70 bis 80 Prozent aller Busse abgesetzt wurden. Die verkaufte Stückzahl sank von 12.000 bis 14.000 auf unter 5.000.

Mittlerweile zählen für Ikarus, wie Mitarbeiter des Werkes betonen, auch kleine Stückzahlen, denn das Unternehmen hat noch immer mit dem Bankrott zu kämpfen. Von den früher mehr als 12.000 Beschäftigten sind heute nur noch 6.000 übriggeblieben, und auch davon werden in Zukunft noch einige hundert entlassen werden.

Im letzten Jahr konnten insgesamt 3.933 Fahrzeuge verkauft werden, etwas weniger als die vorgesehene Stückzahl. Die meisten Busse gingen dabei an den Iran, die Türkei, Idonesien und Taiwan. Rußland, das in den 80er Jahren bis zu 60 Prozent der Produktion abnahm, orderte trotz seines riesigen Bedarfes nur einige Dutzend Busse, da es der Republik auch weiterhin an Geld mangelt und die als Barter konzipierten Geschäfte nur schwer zustande kommen.

Bislang konnte Ikarus auch bei der Privatisierung keine Fortschritte erzielen. Derzeit gehören 60,9 Prozent des Unternehmens dem ungarischen Staat, 30,7 Prozent der Anteile hält ein russisch- ukrainisch-belorussisch-kasachisches Konsortium, den Rest teilen sich ungarische und ein kanadisches Unternehmen.

„Ikarus war früher die Rolex unter den Busherstellern“, so Laszlo Lovasz, der mit der Restrukturierung von Ikarus beauftragt ist und nach neuen Investoren suchen soll. „Bis sich das Unternehmen erholt hat, müssen wir noch ziemlich viel flicken.“

Ikarus-Deutschland-Vertreter Nyari hofft, daß auch andere deutsche Verkehrsbetriebe Ikarus- Busse kaufen werden. Ein von der Sachverständigenorganisation Dekra angefertigtes Mustergutachten lasse erwarten, daß auch andere deutsche Verkehrsbetriebe wieder auf Ikarus aufmerksam würden, sagte er. Verträge seien bereits mit Verkehrsbetrieben in Sachsen, Thüringen und Brandenburg abgeschlossen worden. Zahlen wollte Andras Nyari jedoch nicht nennen. KV