Bill Clinton beschwört den Wandel

■ Der neue US-Präsident ist vereidigt/ Eine kurze Antrittsrede nach ausgedehnten Feiern

Washington (taz) – Wenn Bill Clinton auch nur halb so gut regiert, wie er feiert, dann sind die USA für die nächsten vier Jahre in guten Händen. Am Mittwoch um 11 Uhr und 59 Minuten wurde aus dem gewählten Präsidenten Bill Clinton der amtierende Präsident Bill Clinton.

Die exzellent inszenierte Vereidigungsfeier, in der wie auch in den letzten Tagen die Clinton-Freunde und Hollywoodproduzenten Harry Thomason und Linda Bloodworth Thomason Regie führten, war der Höhepunkt eines fünftägigen Festmarathons. Fernsehprediger Billy Graham ließ es sich nicht nehmen, für die Versammelten das Bittgebet zu sprechen – und hätte sich fast eine Freudsche Fehlleistung von historischer Dimension geleistet, als ihm bei der Anrede statt „Clinton“ beinahe der Name „Kennedy“ herausgerutscht wäre.

So lange, so grandios und so emphatisch hatte sich noch kein Präsident in der Geschichte der USA zum Amtsantritt feiern lassen. Clintons Antrittsrede war – entgegen manchen Erwartungen – kurz und prägnant. Er beschwor noch einmal jenen Prozeß der Erneuerung, mit dem er unter dem Schlagwort „Change“ so erfolgreich seinen Wahlkampf bestritten hatte. Auf der Suche nach Sätzen, die später auch noch die Historiker zitieren werden, wurde er erneut bei seinem Vorbild John F. Kennedy fündig. „Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann“, hatte der 1961 bei seiner Vereidigung gesagt. „Fragt, was ihr für euer Land tun könnt.“ Clinton bot eine sozialere Version dieses Appells: „Wir müssen mehr Chancen für alle bieten und mehr Verantwortung von allen fordern.“

Wer immer noch isolationistische Tendenzen in der neuen Administration prognostizierte, mag sich durch den außenpolitischen Teil der Rede beruhigt oder (je nach politischem Standpunkt) beunruhigt fühlen. In einer freieren, aber zunehmend instabilen Welt müsse Amerika weiterhin führen, sagte der neue Präsident. Wann immer möglich, werde man auf friedliche und diplomatische Mittel zurückgreifen, wenn nötig aber auch Gewalt einsetzen.

Den rhetorischen Höhepunkt setzte nicht der Präsident, sondern die afroamerikanische Poetin Maya Angelou mit einem Gedicht. Angelou brachte die Gefühle jener Amerikaner zum Ausdruck, die der neuen Administration mit skeptischer Hoffnung gegenüberstehen – und die in den letzten Tagen so euphorisch beschworene Geschichte des Landes mit sehr viel mehr Bitterkeit sehen: allen voran viele Schwarze in den städtischen Ghettos. Angelou brachte bei allem Optimismus jenen Mut der Verzweiflung zum Ausdruck, der in den letzten Tagen manchmal durchschimmerte – und die Frage, die noch keiner laut aussprechen mag: Was kommt nach Clinton, sollte er scheitern? Andrea Böhm