Landschaften der Haut

■ Arbeiten der Foto-Künstlerin Silke Grossmann in der Kunsthalle Bremerhaven

Der fein geäderte Handrücken einer Tänzerin, Licht und Schatten, die auf ihren Oberarm fallen, Falten in der gebeugten Hüfte, die Poren auf einem Schulterblatt, ein Büschel Haare in der Achselhöhle, ein nackter Fuß neben den gespreizten Fingern einer Hand - die Fotografin Silke Grossmann zeigt die Körper von Frauen angeschnitten und mit schräger Kamera, in einem Raum, auf einem Teppich, dessen Gewebe sich von den Landschaften der Haut deutlich absetzt.

In der Kunsthalle Bremerhaven sind bis zum 20.2. Bildgruppen und Serien in schwarz/weiß zu sehen, die zwischen 1978 und 1987 entstanden sind. „Grenz-Erfahrungen“ nennt der Kunsthistoriker Thilo Koenig in seiner Eröffnungsrede die Arbeiten der 1951 geborenen Fotografin, die 1991 zur ersten Preisträgerin der in Essen angesiedelten Dietrich-Oppenberg-Stiftung gekürt wurde. Mit dem Preis-Geld von 50.000 DM erhalten junge europäische FotografInnen die Möglichkeit, ein als Buch konzipiertes Foto- Projekt zu realisieren.

Silke Grossmanns Blick richtet sich auf die Schnittlinien zwischen Körper und Umfeld, auch zwischen Land und Wasser, oben und unten.

Zentrales Thema der ausgestellten Bildgruppen sind die Wahrnehmung der Frau und die Bewegung des weiblichen Körpers im Raum.

Dabei verweigert Silke Grossmann beim Zeigen und beim Gezeigten den Blick auf das, was erwartet wird: Die schiefen Achsen, die Untersichten der gekippten Kamera halten selten Gesichter fest, auch wird die Haut nicht an den lüsternen Blick des Voyeurs verraten.

Die Fotografin blickt häufig von hinten über den Rücken der Frau und folgt so ihrer eigenen Wahrnehmung in den entrückten Raum, auf das Wasser, an den Strand, in ein (Hamburger) Hafenbecken, in ein zum Abbruch bestimmtes Fabrikgebäude oder auf eine Industriebrache.

„Die Augen werden zum Tasten angehalten“, schreibt Frieda Grafe in einem einfühlsamen Essay in dem opulent ausgestatteten Buch zur Ausstellung. Wer Silke Grossmanns Bilder ertasten will, wird ihrem Blick folgen, und damit dem Blick der Frauen, deren angeschnittene Körper am Rand auftauchen.

Im Zentrum dieser Bilder, saggt Thilo Koenig, bleit ein „Negativ- Raum“. Das ist manchmal ein aufgeschlagenes Buch, dessen Buchstaben nicht zu entziffern sind, oder eine Zeitung, die eine aufmerksam Lesende in den Händen hält, die keinen Blick für die geneigte Kamera der Fotografin hat.

hans happel