Schwarze Sicht auf die Geschichte

■ Im Februar findet zum vierten Mal der "Black History Month" statt / Afrikaner wollen ihre Kultur, Geschichte und Politik einem breiten Publikum nahebringen

Berlin. Wenn Weiße die Geschichte Afrikas schreiben, entsteht statt „history“ „his story“, die Geschichte des weißen Mannes. „Die Weißen sahen, was sie sehen wollten, um Kolonialismus, Sklaverei und Ausbeutung zu legitimieren“, sagt Yonas Endrias vom Immigrantenpolitischen Forum (IPF). „Wenn wir unsere Geschichte darstellen, ist das authentischer, als wenn jemand nur einen Blick von außen hat.“ Noch heute bestimmten die Klischees vom dunklen, geschichtslosen Kontinent, dessen „primitive“ Bewohner in Kulturlosigkeit verharrten und nur darauf warteten, von den Weißen entdeckt zu werden, die Geschichtsschreibung. „Sowenig ich als Mann etwas zu Vergewaltigungen oder zur Abtreibung sagen kann, so wenig können Weiße erfassen, was Rassismus heißt“, sagt Endrias. „Ich bin nur schwarz aufgrund des Rassismus. Gäbe es ihn nicht, wäre meine Hautfarbe unwichtig.“

Schwarze Geschichte aus schwarzer Sicht darzustellen, ist das Ziel des Black History Month (BHM), der im Februar zum vierten Mal in Berlin stattfindet. In ausschließlich von Schwarzen veranstalteten Workshops, Seminaren, Vorträgen und Filmen sollen einem breiten Publikum schwarze Kultur, Geschichte, Kunst und Politik nahegebracht werden. „Auch soll das Selbstverständnis schwarzer Existenz in der BRD der weißen Gesellschaft verdeutlicht werden sowie eine Stärkung des Selbstbewußtseins der Black Community erfolgen“, erläutert Mike Reichel von der Initiative Schwarze Deutsche (ISD), die die Veranstaltungen zusammen mit der Afrikanischen Fraueninitiative (AFI), dem IPF und der Liberia Hilfe Berlin organisiert. Ein Seminar beschäftigt sich mit den Lebensbedingungen von AfrikanerInnen und Afro-Deutschen im Kaiserreich, der Weimarer Republik und während der NS-Zeit. „Im Bewußtsein vieler Menschen ist es immer noch so, daß Schwarze keine Deutschen sein können“, so Reichel. In Workshops für schwarze Kinder aus Deutschland erfahren diese, daß noch mehr Kinder so aussehen wie sie.

Ein Seminar beschäftigt sich mit den Hintergründen der Konflikte in Somalia. Neben der aktuellen Problematik wird die bewegte Geschichte des Landes, in dem alle Einwohner die gleiche Sprache und Kultur besitzen, aufgearbeitet. „Dort kann man eine andere Sicht dieser Thematik kennenlernen“, sagt Fatuma Isaak-Schuppan von der AFI. Sie hat auch Regie geführt in dem Theaterstück „Der zerstörte Traum“, in dem es um die Konflikte einer jungen Afrikanerin zwischen afrikanischen und europäischen Lebensformen geht.

Kulturelle Höhepunkte werden eine Gedenkfeier zu Ehren der afro-amerikanischen Dichterin Audre Lordes, ein Bob-Marley- Special und zwei Feste mit Konzerten, afrikanischer Modenschau und African Food und Cocktails sein. Andere Veranstaltungen setzen sich mit Formen des Rassismus etwa in Kinderliedern und -büchern und in den Medien auseinander. „Wir würden es bevorzugen, die Hunderttausenden von Menschen, die sich in Lichterketten als gute Nachbarn erklären, als vorurteilsfreie Bearbeiter auf dem Arbeitsamt oder freundliche MitbürgerInnen in Bussen und Bahnen zu erleben“, so Reichel. cor

Programm erhältlich bei ISD, Oranienburger Straße 159, 6147502