Wie Miezen zu Genotten werden Von Michaela Schießl

Die Tierschützer der Welt bliesen einst zur Attacke: „Die einzigen, die für einen warmen Wintermantel sterben dürfen, sind Tausende von Polyacryls.“ Eine Kampfparole, maßgeschneidert, um den herzlosen Kürschnern das Fell über die Ohren zu ziehen. Wenig später rauften sich jene bereits die Haare, als mit blutigen Enthüllungsgeschichten über die grausame Tierhaltung ihre Kunden zunächst verprellt, schließlich gar ins gesellschaftliche Abseits befördert wurden. Wer sich heutzutage mit einem Tierfell bekleidet auf die Straße traut, sollte sich verteidigen können. Denn an jeder Ecke lauern gewaltbereite Lederjackenträger, mit Spraydosen bewaffnet, um die elenden Tierquäler zu brandmarken. Gerüchten zufolge plant eine besonders militante Gruppe namens „Das Schweigen der Kürschner“ sogar eine Art Umerziehungslager. In einer als Kleingartenkolonie getarnten Anlage irgendwo in den neuen Bundesländern sollen unbelehrbare Pelzträger tagelang und barfuß über dünnen Maschendraht gejagt werden. Nun aber, nach Jahren des Hungerns und Darbens, schlägt die gebeutelte Branche zurück.

Mit einem genialen Konzept schlagen sie die Gegner mit deren eigenen Waffen: aus echt mach falsch. So überschwemmen pünktlich zum Winterschlußverkauf billige Genottenjacken, Blacktail-Blazer und Karakul- Kapuzen die Schnäppchenmärkte. Der arglose Kunde denkt natürlich, daß es sich, wie meist, um wohlklingende Bezeichnungen für neuentwickelte Kunststoff-Gewebe handelt. „Schau mal Schatz, täuschend echt, dieser Genottenmantel!“ jubelt er und eilt zur Kasse, nicht ahnend, daß von nun an das Fell der gemeinen Hauskatze seinen Leib umschmeichelt. Auch der wunderbare Karakul-Kragen ist nicht etwa aus flauschiger Kaschmirwolle, sondern aus neugeborenen Persianerlämmchen hergestellt. Für das Blacktail-Futter oder die Feh-Jacke mußten keine Polyacryls, sondern niedliche Eichhörnchen ihr Leben lassen. Der gemeine asiatische Haushund wird zum Geawolf, der Waschbär zum Marmotta, der Sumpfbiber zum Nutria. Besonders geschickt die Namensgebung für das gemeine Hauskaninchen: Chinchinellette heißt deren Fell, was sich derart offensichtlich an Chinchilla anlehnt, daß man keinen Moment daran zweifelt, daß „-lette“ für „künstlich“ steht. Ein widerwärtiges Täuschungsmanöver nennt der Tierschutzverein das falsche Spiel mit echten Pelzen. Wogegen sich der Zentralverband des Kürschnerhandwerks aufs heftigste verwahrt: Die Namen seien nicht erfunden, sondern der ausländische Name der jeweiligen Tiere. Der Sobaki etwa, von den Tierschützern profan als Haushund bezeichnet, bezeichne einen russischen Steppenstreuner. Und der Wombat sei nicht etwa der nette Koalabär, sondern ein schweineähnliches Beuteltier und außerdem geschützt. Zapok sei, was kann man dafür, halt die Dialektbezeichnung für die Bambusratte. „Unsere Branche ist nun mal international, da sind ausländische Bezeichnungen ganz gängig“, sagt der Kürschnerverband. Und freut sich, denn dank der internationalen Namenshilfe geht es wieder aufwärts mit dem haarigen Geschäft: „Wir sehen Licht am Ende des Tunnels.“