■ Kommentar
: Unternehmen Berlin

Diepgens Überlegungen zur Fortsetzung des Regierungsbündnisses nach den nächsten Wahlen kommen eigentlich zur Unzeit. Es besteht im Augenblick keine Notwendigkeit, sich so eindeutig festzulegen, es sei denn, um innerhalb der eigenen christdemokratischen Reihen, der unliebsamen Debatte um die große Linie und damit um die eigene Person, diesmal als Landesvorsitzender, beizeiten die Spitze zu nehmen. Dies ist sicher ein Hintergedanke gewesen, der Diepgen zu seiner Äußerung veranlaßt hat. Gleichwohl ist davon auszugehen daß der CDU-Vorsitzende, wie auch sein Partner von der SPD, Ditmar Staffelt, mittlerweile zum Überzeugungstäter in Sachen Große Koalition geworden ist. Für ihn ist sie die effizienteste Form, das Unternehmen Berlin zu leiten. Und Geschwindigkeit und Effizienz sind die entscheidenden Kriterien, an denen der Senat seine eigene Arbeit mißt.

Die Notwendigkeit der Großen Koalition legitimieren die beiden Regierungsparteien mit den zentralen Aufgaben, des Hauptstadtumzugs, der Olympiabewerbung, der Verwaltungsreform sowie der Angleichung der Lebensverhältnisse und der Fusion mit Brandenburg. Wesentliche Entscheidungen in diesen Bereichen werden allerdings nicht mehr in der Landesregierung, sondern an anderer Stelle getroffen. Der Senat bereitet lediglich vor und setzt Konsequenzen durch. Dabei bekommen die jeweiligen Begründungen der Maßnahmen, siehe Tiergartentunnel, allmählich einen beliebigen Charakter. Die Landesregierung ist in wesentlichen Bereichen zum Vollzugsorgan verkommen und scheint sich damit auch zu begnügen. Dies entspricht der Vorliebe ihrer Protagonisten fürs Administrieren und ihre Abneigung gegen alles, was den schnellen Vollzug hindern könnte. Seien es Bezirkspolitiker, seien es gar die wenigen Quertreiber in den eigenen Parteien. Sie alle werden in Anbetracht der Größe des Regierungsbündnisses zu vernachlässigbaren Größen. In der Veringerung des Widerspruchpotentials liegt die eigentliche Qualität des Regierungsbündnisses. Vor diesem Hintergrund liest sich Diepgens Resümee wie eine Unternehmensbilanz, es ist in weiten Teilen unpolitisch. Nicht nur deshalb kann man die Ankündigung einer Fortsetzung der Großen Koalition nur als Drohung verstehen. Dieter Rulff