Wolf & Müller und kein Ende

■ Heiner Müller gibt Nicht-Erklärung ab, die „FAZ“ zu Christa Wolfs Akte

taz (Berlin) – Der DDR-Dramatiker Heiner Müller hat über seinen Anwalt eine Presseerklärung abgegeben, die etwaige Hoffnungen auf Aufklärung über seine Führung als IM seitens der Staatssicherheit ins Ungewisse verweist. Sie lautet: „Ich stehe für Gespräche in der deutschen Öffentlichkeit bis auf weiteres nicht zur Verfügung. Ich brauche die Zeit, die mir bleibt, für meine Arbeit am Schreibtisch und im Theater. Zur Zeit bereite ich, zusammen mit Matthias Langhoff, eine Inszenierung am Berliner Ensemble vor.“ Da weder Müller selbst noch die Frankfurter Allgemeine Zeitung auf die Erklärung letzterer zurückgekommen sind, sie werde jene (nicht gedruckten) Passagen von Müllers Autobiographie, die seine Gespräche mit der Stasi behandeln, nun dokumentieren, sind auch hier die Aussichten auf Klärung derzeit noch gering.

Deutlicher verhält es sich im Falle Christa Wolfs, deren Akte als GI („Gesellschaftlicher Informant“) und im Anschluß als IM, wie berichtet, nach drei wenig ergiebigen Jahren der „Abschöpfung“ und der Gespräche 1962 geschlossen wurde, wonach Christa Wolf und ihr Mann selbst von der Staatssicherheit beobachtet wurden.

Die Gespräche der Autorin mit der Stasi behandelten laut FAZ, die Einsicht in die Akte beantragt hatte und die Ergebnisse in ihrer gestrigen Ausgabe veröffentlichte, vor allem „ideologische Fragen“ der DDR-Literatur. Es gibt in den „130 vergilbten Blättern“ (FAZ) ihrer Akte keinerlei Hinweise auf Belastung Dritter. Im Gegenteil merkt die Staatssicherheit bereits nach einem halben Jahr der Gespräche an: „Auffallend an der Zusammenarbeit war eine größere Zurückhaltung und (über)betonte Vorsicht, die aus einer gewissen intellektuellen Ängstlichkeit herrührt.“

Christa Wolf selbst schrieb zur fraglichen Zeit (1959 bis 1962) in der Berliner Zeitung vom 21.1. 1993: „Mit ihm [dem „Betreuer“ der Stasi für den Mitteldeutschen Verlag, d.R.] habe ich über Verlagsangelegenheiten und kulturpolitische Fragen gesprochen – damals noch in der Annahme, über diesen Weg Kritik wirksamer befördern zu können. Denn gerade die Hallenser Jahre waren eine wichtige Etappe in der Entwicklung meiner kritischen Haltung, besonders zur Kulturpolitik der DDR.“ Weiter schreibt Christa Wolf: „Die Akte wurde am 31.10. 1962 geschlossen und im Archiv abgelegt. Von da an, besonders seit meinem ,nicht parteimäßigen Verhalten‘ auf dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 65, verstärkte sich die Observation, die dann 68 in einen Operativen Vorgang umgewandelt wurde.“

Definitive Aufklärung gibt Christa Wolfs Akte über ihr Verhalten im Falle Biermann: Die Staatssicherheit hatte (wie aus einem Bericht derselben hervorgeht) das Gerücht lanciert, Wolf habe sich „in geheimer Absprache“ von ihrer Unterschrift der Protesterklärung gegen die Ausweisung Biermanns 1976 distanziert. Diese Behauptung wurde im Freundeskreis von Wolf in Umlauf gesetzt und im Westen kolportiert. Die FR beweist hier ein besseres Gedächtnis als die konkurrierende FAZ, die dem „Fall Wolf“ zwar viel Raum widmet, aber jene Tatsache übergeht, an welche die FR (22.1.) erinnert: „Ebenso wird man nun sehen, ob ein anderer Wolfsjäger, der die Jagd auf die Autorin mit der Behauptung eröffnete, sie habe insgeheim ihren Namen unter der Pro-Biermann-Resolution zurückgezogen, sich öffentlich entschuldigen wird [...]. Zum Auftakt des nächsten „Literarischen Quartetts“ müßte zumindest ein Dissonanz-Geräusch des Primgeigers zu vernehmen sein, der sich damit seiner unbewußten Stasi-Mitarbeit entledigen könnte.“ ES