: Berliner Polizei: Aufstieg nach Liste
Bei der Berliner Polizei werden Führungsposten nach einer Liste vergeben, die keiner verfaßt haben will/ Innensenator Dieter Heckelmann gerät in den Verdacht parteipolitischer Manipulation ■ Von Dieter Rulff
Berlin (taz) – Wenn im Februar der Chef der Berliner Schutzpolizei, Landesschutzpolizeidirektor Gottfried Heinze, in den verdienten Ruhestand geht, ist für seine Nachfolge schon gesorgt. Zwar wird seine Stelle ordnungsgemäß ausgeschrieben, doch besteht bereits jetzt kein Zweifel, daß der leitende Polizeidirektor Manfred Buchholz die Position des viertmächtigsten Mannes in der Berliner Polizei einnehmen wird. Denn an dem braven Beamten Buchholz vollzieht sich in wundersamer Weise eine Vorsehung, die ob ihrer Unausweichlichkeit mittlerweile das Berliner Abgeordnetenhaus beschäftigt.
Was die Parlamentarier bisweilen an das Walten höherer Mächte denken läßt, ist eine Liste mit Namen, die im Herbst 1991 zusammengeknüllt in einem Papierkorb gefunden wurde. Sie enthielt 14 Posten im höheren Dienst der Polizei, die im Laufe der Jahre 1992 und 1993 vakant wurden und werden. Daneben waren jeweils fein säuberlich mögliche Aspiranten für die Nachfolge aufgelistet. In Klammern versehen waren die Namen der polizeilichen Aufsteiger mit dem augenscheinlich wesentlichsten Kriterium für ihre avisierte Beförderung: die CDU-Parteizugehörigkeit. Wo die fehlt, empfiehlt das Kürzel „Symp.“ für höhere Aufgaben im Polizeidienst.
Außerordentlich komplexe Personalplanung
Die anonymen Schreiber des „vertraulich“ titulierten Papiers schätzten in einem Vorspann die eigene Personalplanung als „außerordentlich komplex“ ein und machten ihre Verwirklichung vom „Fortgang der politischen Konstellation sowie der eigenen Beharrlichkeit“ abhängig. Die Beharrlichkeit scheint sich auszuzahlen, denn im Laufe des Jahres 1992 verwirklichten sich die Vorsehungen Posten um Posten, auftretende Schwierigkeiten wurden weitsichtig aus dem Weg geräumt. So wurde bereits im Herbst 1991 festgehalten, daß Buchholz im kommenden Monat das Heintze-Erbe antreten solle. Da der CDU-Mann als Polizeidirektor zum damaligen Zeitpunkt jedoch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für dieses hohe Amt noch nicht erfüllte, wurde ein Zwischenschritt eingeplant. Anfang 1992 übernahm Buchholz die Leitung einer der beiden neugeschaffenen Polizeidirektionen im Ostteil Berlins und wurde zugleich zum Leitenden Polizeidirektor befördert. Dem nun folgenden Karrieresprung stand somit nichts mehr im Wege. Die SPD, der das Papier auf verschlungenen Wegen zugespielt worden war, betrachtete die Entwicklung in den letzten Monaten mit zunehmendem Mißmut. Sie mutmaßt die Listen-Autoren im Polizeiarbeitskreis der CDU und warf dem vom Koalitionspartner gestellten Innensenator Dieter Heckelmann vor, „seine parteipolitisch gefärbte Personalpolitik ungeniert fortzusetzen“. Die Christdemokraten bestritten bislang jede Urheberschaft, und der Innensenator versicherte, daß er sich bei Personalentscheidungen „ausschließlich von der Befähigung und fachlichen Leistung des einzelnen Beamten leiten lasse“. Er habe bislang allen von der Polizeibehörde vorgeschlagenen Beförderungen im höheren Polizeivollzugsdienst zugestimmt. Daß es eine derartige Koinzidenz zwischen den fachlichen Leistungen und der Parteizugehörigkeit der bislang Beförderten geben solle, mochten aber weder SPD noch die Opposition glauben.
Heckelmann unter Verdacht
Aufklärung in das fragwürdige Fortkommen bei der Berliner Polizei brachte nun einer, der es wissen muß. Der Ex-Polizeipräsident Georg Schertz, der nach Auseinandersetzungen mit Heckelmann im Sommer letzten Jahres entnervt das Handtuch geworfen hatte, erklärte Anfang dieser Woche vor dem Innenausschuß des Abgeordnetenhauses, daß keinesfalls immer seinen Personalvorschlägen entsprochen worden sei. Vielmehr habe der Innensenator eigene Vorstellungen unterbreitet, deren Verwirklichung „zu einer anderen Polizei geführt hätten“. Dabei seien Mitarbeiter positioniert worden, „die durchaus der CDU zuzuordnen waren“. Der Innensenator bestreitet allerdings weiterhin parteipolitische Einflußnahme und muß sich deshalb neuerdings von den Grünen einen Lügner schimpfen lassen. Diese erwägen nun, wie auch FDP und PDS, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Dem ist selbst die SPD nicht abgeneigt, verlassen doch ihre Seilschaften mittlerweile entnervt die Polizei in Richtung Brandenburg. Denn dort bieten sich ihnen noch Aufstiegschancen.
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