Aufstand gegen die Gen-Kartoffel

■ Massenandrang bei Info-Veranstaltung über Freilandversuch in Volksdorf / Antibiotika-Resistenz birgt Gefahr für Menschen

in Volksdorf / Antibiotika-Resistenz birgt Gefahr für Menschen

In der Volksdorfer Kirche war es selten so voll wie am Freitag abend — bis auf den letzten Platz alle Bänke besetzt. Nicht der Gottesdienst hatte 260 BesucherInenn in die Kirche getrieben, sondern die Besorgnis über die „Gen-Kartoffeln“, die die Hamburger Universität auf einem Acker an der Grenze zu Volksdorf pflanzen will.

Wie berichtet, plant das Botanische Institut, im Frühjahr Kartoffelpflanzen auf einem Versuchsfeld in Wulfsdorf freizusetzen, die durch gentechnische Veränderung widerstandsfähig gegen die Kartoffelkrankheiten Schwarzbeinigkeit und Knollennaßfäule sein sollen. Über den Antrag wird das Bundesgesundheitsamt im März entscheiden.

Im benachbarten Ahrensburg und Volksdorf hat sich mittlerweile ein breites Bündnis gegen die „Gen-Kartoffel“ formiert. Der Protest gegen den Freisetzungs-Versuch geht quer durch die Reihen von Kirche, Grünen, SPD bis hin zu den „Eltern für unbelastete Nahrung“.

Zwischen Säcken mit Öko-Kartoffeln saßen am Freitag auf Einladung des Stormarner Kirchenkreises auch Beatrix Tappeser vom Ökointitut Freiburg und Georg Lutz vom Demeterhof Wulfsdorf. Der Landwirt fühlt sich von der Freisetzung der manipulierten Nutzpflanzen „unmittelbar betroffen“. Seine biologisch dynamisch bewirtschafteten Kartoffelfelder sind nur 30 Meter vom Versuchsacker der Uni entfernt. Die gentechnisch veränderten Knollen hält der Biobauer nicht nur für gefährlich,

1sondern für gänzlich überflüssig: „Schwarzbeinigkeit und Knollenfäule sind auf ökologisch wirtschaftenden Höfen überhaupt kein Problem“. Nur Bauern, die „nicht mit Kartoffeln umgehen können“ oder zuviel düngen, würden sie verfaulen.

Auch aus wissenschaftlicher Sicht sprächen viele Gründe gegen den Freilandversuch, erläuterte Beatrix Tappeser am Freitag. Den Kartoffelpflanzen werden Erbinformationen zur Bildung von Lysozym eingebaut. Diese Substanz tötet nicht nur den Fäulniserreger „Erwinia“, sondern auch sämtliche anderen Bakterien, die beispielweise fürs Pflanzenwachstum wichtig sind. Dazu, so die Biologin, die selbst einige Zeit in der Genforschung gearbeitet hat, kämen unvorhergesehene Folgen der Genmanipulation. Beispielweise sollten die bei Kölln freigesetzten genetisch veränderten Petunien eigentlich nur eine andere Farbe haben, sie bekamen aber auch mehr Blätter und mehr Triebe. „Mit solchen Überraschungen muß man bei gentechnsich manipulierten Pflanzen rechnen, auch bei Kartoffeln“, so die Wissenschaftlerin.

Gefährlicher ist jedoch einem andere Manipulation: So werden den Pflanzen zur Kenntlichmachung sogenannte Marker-Gene eingeschleust, die resistent gegen Antibiotika machen — auch gegen solche, die in der Medizin verwendet werden. Diese Eigenschaft, so fürchtet Beatrix Tappeser, könnte über das untergepflügte Kartoffelkraut an Bodenbakterien und schlußendlich auch an Krankheitserreger weitergegeben werden, mit denen der Mensch in Berührung kommt.

Vera Stadie