Parkplätze statt Platz für Kinder

■ Schule Friedrichstraße fordert Ausweitung des Schulgeländes / Steb will Pkw-Stellplätze für Sozialwohnungen bauen

fordert Ausweitung des Schulgeländes / Steb will Pkw-Stellplätze für Sozialwohnungen bauen

Müssen Kinder in St.Pauli-Süd darunter leiden, daß der Hamburger Senat seine Hafenstraßen- Phobie noch nicht losgeworden ist? Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man den Streit um den Ausbau einer Schule verfolgt.

Unumstritten ist: Die Schule Friedrichstraße vis à vis der Hafenstraßen-Häuser bekommt Platz- Probleme. Schon heute fehlen zwei Klassenräume, steht für die 477 Schüler kein Sportplatz und nur eine kleine Turnhalle zur Verfügung. Doch der Baby-Boom der letzten Jahre, der Hamburg bis zum Ende des Jahrzehnts mindestens 30000 Schüler zusätzlich bescheren soll, macht auch vor der integrierten Haupt- und Realschule in St.Pauli-Süd nicht halt. Bereits im letzten Schuljahr mußten drei statt

1bisher zwei 1.Klassen eingerichtet werden. Nach den Daten, die Schulleiterin Jutta Reinitzer vom Statistischen Landesamt über die Geburten der letzten fünf Jahre bekam, hält dieser Trend an. Im Schuljahr 94/95, so errechnete auch der Elternrat, fehlen sechs Klassenzimmer. Außerdem sollen am Pinnasberg und am Pepermölenbek 200 neue Sozialwohnungen gebaut werden. Auch dort werden schulpflichtige Kinder wohnen, auch die brauchen Platz. Zu alledem soll die Schule Friedrichstraße Ganztagsschule werden, weil ein Großteil der Kinder in diesem als „sozialen Brennpunkt“ anerkannten Stadtteil in der Freizeit zu verwahrlosen droht (Ein Lehrer: „schulfreie Zeit heißt Fernsehzeit“). Doch eine Ganztagsschule braucht zumindest eine Mensa. Was also tun?

Für den Elternratvorsitzenden Wolfgang Naujoks, der am Samstag mit einer kleinen Kundgebung auf dem Schulgelände auf das Problem aufmerksam machte, keine Frage. Da die Schule von Westen, Norden und Osten her mit Sozialwohnungen zugebaut ist, bleibe nur die Ausweitung zum Hafenrand. Die Bernhard-Nocht-Straße könne man sperren, so Naujoks, den Schulneubau in die Baulücke am Elbhang neben die Hafenstraßen-Häuser setzen. Naujoks: „Warum sollen Schüler keinen Elbblick genießen?“ Die Bauabteilung der Schulbehörde fand die Idee nicht blöd, wandte

1sich mit dem Ansinnen an Traute Müllers Stadtentwicklungsbehörde. Doch von dort gab es abschlägigen Bescheid. Die Berhard-Nocht- Straße werde als Stellfläche für Pkw gebraucht, da sonst die Realisierung des Sozialwohnungsbau am Hafenrand nicht möglich sei, heißt es in einem Schreiben vom September. Die Schule müsse sich auf ihre vorhandene Fläche beschränken, sprich: in die Höhe bauen.

Für die Eltern ein unakzeptabler Vorschlag. Naujoks: „Man kann

1nicht beliebig viele Kinder auf dem Schulhof einpferchen“. Schon heute besteht die Schule im wesentlichen aus drei dreigeschossigen Kreuzbauten mit ein bißchen Grün drum herum. Nach Aufstockung der übrigen Flachbauten bliebe nur ein „Schluchtenschulhof“ übrig.

Parkplätze wichtiger als Platz für Kinder? Dieses ungwöhnliche Votum aus dem Hause Müller ist nur vor dem Hintergrund der politischen Bedeutung des Bebauungsplans „St.Pauli 35“ zu verstehen,

1der den Abriß der sogenannten Sechser-Häuser der Hafenstraße vorsieht und demnächst vom Senat verabschiedet werden soll. Eine Änderung an diesem Plan, der eine Mischung von Wohnen und Gewerbe am Hafenrand vorsieht, hieße vielleicht auch eine neue Diskussion um den Erhalt der Hafenstraße. „Theoretisch wäre es möglich, den Plan zu ändern“, sagt der SPD-Vize-Fraktionschef Ingo Kleist, „aber es ist politisch nicht gewollt.“ Kaija Kutter