Ein Sahnestückchen für Siemens

■ III. Teil der Serie: Warum der Konzern auf ein High-Tech-Gelände an die Uni umziehen darf

Ganz verscherzen darf es sich das kleine Bundesland Bremen nicht mit einer großen Firma wie Siemens. Immerhin sind bei Siemens in Bremen nach Firmenangaben ca. 2.200 Menschen beschäftigt, jährliche Steuereinnahmen: 30 Millionen.

Forschung und Entwicklung betreibt der Elektronik-Konzern in Bremen praktisch nicht. Nur 50 Mitarbeiter werden unter „F & E“ geführt, 1.300 sind in der Vertriebsabteilung aufgeführt, 700 in der „Fertigung“. Bremen hat auch

Von 2.000 Mitarbeitern arbeiten nur 50 in der Forschung und Entwicklung

keine eigene Zweigniederlassung von Siemens mehr. In der Hochglanz-Broschüre „Die Hanseatische Region der Siemens AG — Bremen, Hamburg, Kiel“ sind die für die bremischen Betriebe zuständigen „Bereichsleiter“ mit Telefonnummern angegeben: Bis auf wenige Ausnahmen kommen sie alle aus Hamburg. Sie verwalten die bremischen Abteilungen nebenher mit. Nicht einmal einen eigenen Pressesprecher hat Siemens in Bremen, die Öffentlichkeitsarbeit wird ebenfalls von Hamburg aus gemacht.

Die Bremer Betriebe und Verwaltungen von Siemens liegen in der Stadt verstreut. Kein Wunder also, daß die Firma eine Gelegenheit sucht, ihre Betriebsstätten zu konzentrieren. Flächen wie die im Europahafen kommen dabei für Siemens nicht in Frage. Das Beste scheint gerade gut genug: Die Verwaltungs- und Verkaufs-Abteilungen sollen im Technologie- Park an der Universität untergebracht werden.

Im Bereich „Uni-Ost“ hinter dem Berufsbildungswerk ist eine große Fläche dafür vorgesehen, derzeit sind Suchtrupps in dem Gelände und spüren Blindgänger aus em zweiten Weltkrieg auf. 1994 muß es mit dem Bau losgehen, wenn 1996 dort 700-900 Bremer Siemens-Beschäftigte einziehen sollen.

Einziger Pferdefuß: Mit Forschung und Entwicklung hat das nichts zu tun, was dort entsteht. Schlicht gesagt sind Kooperationsmöglichkeiten mit der Uni bei der Reparatur von Waschmaschinen nicht zu erwarten. Das Problem ist ein wenig peinlich, denn wenn man im Wirtschaftsressort nach der Möglichkeit fragt, auswärtigen High-Tech-Unternehmen attraktive Flächen anzubieten, die nach Bremen gelockt werden sollen, dann klagen die Wirtschaftsförderer. Im Uni-Bereich ist nichts mehr frei, der Run auf die guten Adressen war riesengroß, alles vergeben oder zumindest verplant. Die zuständigen Parlamentsausschüsse für Wirtschaftsförderung haben in Sachen Siemens-Umzug noch nichts beschlossen. Der Grundstücks-Ausschuß hat den Verkauf des Geländes an Siemens noch nicht abgesegnet. Für die Verwaltung ist dennoch sicher: Siemens soll dorthin. Gleichzeitig ist der Verwaltung klar: Die Siemens- Verwaltung von Bremen erfüllt die Kriterien nicht, die von parlamentarischen Ausschüssen beschlossen sind. „Technologie- Orientierung“ und „Kooperation mit der Universität“, das sind die beiden Kriterien.

Bedingungen gibt es nicht für Siemens, nur „Empfehlungen“

Robert Lemmen ist Mitarbeiter beim Stadtplanungsamt und bereitet den Bebauungsplan für das Gelände vor. „Es besteht die Erwartung, daß Siemens im Uni-Bereich eventuell auch Entwicklungs-Arbeit ansiedelt.“ Eine regelrechte Bedingung war das allerdings nicht. Aus früheren Erfahrungen mit Siemens-Versprechen ist Bremen nicht klug geworden, nichts ist schriftlich vereinbart.

„Das ist der wunde Punkt“, räumt Dr.Uwe Färber vom Wirtschaftssenator ein. Es handele sich bei den Absprachen eher um eine „Empfehlung“ als um eine Forderung „aus den damaligen Gesprächen“. Aber die Folgen der Empfehlung hätten sich „sehr positiv angelassen“. Der Rektor der Universität und drei oder vier Interessierte seien mit Siemens-Vertretern zusammengetroffen, nicht bremischen, sondern richtigen Leuten aus den Forschungsbereichen, aus Süddeutschland, erinnert sich Färber. Die Uni habe das Angebot zur Kooperation gemacht. Ein, zwei Jahre sei das her, die Sache wahrscheinlich inzwischen weit gediehen. aber darüber könne nur die Uni Auskunft geben.

Die Nachfrage bei der Universität nach Gesprächen mit Siemens gestaltet sich schwierig, „Davon ist hier nichts bekannt“, teilte die Pressesprecherin nach einigen uniinternen Recherchen mit. Gespräche mit Siemens? Auch der Rektor weiß von nichts. Wenn nicht die Sache von damals gemeint sein sollte, vor zwei Jahren, da war Rektor Timm mal in Stuttgart, mit Professoren, zu Siemens- Gesprächen. Nichts ist seitdem passiert, offenbar nichts daraus geworden.

Das bedeutet: Das, was Siemens in Bremen macht, erfüllt die Kriterien nicht, die der Planung des Technologie-Parks um die Universität herum zugrundeliegen. Vorsichtshalber hat die Konzernleitung nach dem peinlichen Desaster aus den 80er Jahren nicht einmal vage versprochen, High- Tech-Forschungsabteilungen nach Bremen zu verlegen. Angesichts der Konjunkturkrise, von der auch Siemens in diesem Jahr mit dem Abbau von Arbeitsplätzen beginnt, wäre solch ein Versprechen auch recht gewagt gewesen. Aber die Bremer Politik ist inzwischen auch ohne derartige Versprechen bereit, ihre eigenen Prinzipien zu brechen und ihre eigenen Beschlüsse zu umgehen — wenn es um Siemens geht. Klaus Wolschner