Amerikanische Sumo-Invasion

■ Akebono holte sich als erster Ausländer den Yokozuna-Titel

Tokio (taz) – „Sumo beginnt mit einer Verbeugung und endet mit einer Verbeugung“, sagt Tomotaka Dewanoumi, der Präsident des japanischen Sumo-Verbandes. Doch am Sonntag ging vielen Japanern diese Höflichkeit zu weit. Noch bevor der neue Großmeister in Japans Ringsporttradition gestern die Siegerehrung erhielt, verließen zahlreiche Fans fluchtartig ihre Sitze in der berühmten Tokioter Sumohalle. Sie wollten nicht mit ansehen, was den Sumokampf auf immer verändern wird: erstmalig erkämpfte sich ein Ausländer die höchste Würde des Sports.

Drei Jahrhunderte lang war die Sumo-Welt der Außenwelt verschlossen, wie heute nur noch der japanische Reismarkt. Doch als der allmächtige Sumo-Verband, geplagt von Nachwuchssorgen, vor zwei Jahrzehnten erstmalig ausländische Kämpfer in den Ring ließ, eröffnete er eine Gewinnmöglichkeit, die sich vor allem die Amerikaner nicht mehr nehmen ließen. Sumokämpfer sind seither der erfolgreichste US-Import in Japan.

Der 23jährige Akebono, ein 2,04 Meter großer Amerikaner aus Hawaii, brauchte am Sonntag nur Sekunden, um den zwanzigjährigen Takahanada, Japans populärstes Sumo-Idol, aus dem Ring zu werfen. Akebono, mit richtigem Namen Chad Rowan, gewann damit nicht nur das prestigebeladene Neujahrsturnier des Sumo-Verbandes. Gleichzeitig erkämpfte er sich mit dem zweiten Turniersieg in Folge den „Yokozuna-“ oder „Großmeistertitel“, was vor ihm keinem Ausländer je gelang.

Doch schon am Tag seines sportlich makellosen Sieges ist Akebono umstritten – daran ließ die Publikumsreaktion keinen Zweifel. Zwar haben Amerikas Sumo-Asse, von denen derzeit gleich drei unter den besten sechs rangieren, inzwischen viele japanische Fans für sich eingenommen. Doch dem konservativen Teil des Sportpublikums sind die Ausländer nicht geheuer: „Wir sollten keinen Ausländer im Namen der Internationalisierung zum Großmeister machen“, warnte der alte Sumo-Veteran Noboru Kojima. Damit sprach er auch für den traditionsverbundenen Sumo-Verband, der überlegt, die Zahl der ausländischen Kämpfer zu begrenzen.

Die Kontroverse über den Ausländeransturm auf den Yokozuna- Titel bekam sogar hochpolitische Züge, als US-Kämpfer Konishiki dem Sumo-Verein Rassismus vorwarf, nachdem er nach drei Turniersiegen (davon allerdings keine zwei in Folge) im letzten Jahr immer noch nicht die höchste Auszeichnung gewann. Sportlich war diese Entscheidung im japanischen Sumo-Milieu damals sehr umstritten, denn für die Ernennung zum Yokozuna gibt es keine klaren Kriterien. Der Rang des Yokozunas gilt in der Tat als so hoch, daß er den Sport selbst transzendiert. In der amerikanischen Presse aber löste die Entscheidung gegen Konishiki wilde Empörung aus, weil die Sumo-Offiziellen verlauten ließen, daß Konishiki aufgrund seiner „Kampfeinstellung“, und nicht etwa aufgrund seiner sportlichen Bilanz, der Großmeister-Titel verweigert wurde.

Akebono bekam diese Vorwürfe nun nicht mehr zu hören. Wohl auch um einem Streit innerhalb des Vereins vorzubeugen, verkündete Sumo-Chef Dewanoumi schon am Sonntag die Ernennung Akebonos. Am Montag soll ihn das Yokozuna-Komitee offiziell in seinem Rang bestätigen.

„Ich habe die Ruhe bewahrt und heute am besten gekämpft“, meinte Akebono kurz nach seinem einseitigen Sieg. Seine Yokozuna- Ehrung wehrte er noch mit einer Verbeugung ab: „Ich habe nur im Ring gekämpft. Über den Yokozuna-Titel entscheiden andere.“ Was zweifellos zeigt, wieviel der Amerikaner im Sumo-Ring über die Höflichkeiten des Sports bereits gelernt hat. Georg Blume