Genf am toten Punkt

■ Verhandlungen durch neue Kämpfe beeinträchtigt

Genf (taz) – Erheblich beeinträchtigt durch die Kämpfe zwischen Kroaten und Serben in der kroatischen Kraijna wurden am Wochenende die Genfer Verhandlungen über Bosnien-Herzegowina wiederaufgenommen. Zeitweise nahmen neben dem bosnischen Präsidenten Izetbegović und den Führern der bosnischen Serben und Kroaten, Karadžić und Boban auch die Präsidenten Kroatiens, Serbiens und Restjugoslawiens, Tudjman, Milošević und Ćosić teil. Milošević und Tudjman reisten jedoch Samstag abend Richtung Belgrad und Zagreb ab.

Mit wenig Erfolg suchten die Konferenzvorsitzenden Vance und Owen den Eindruck zu erwecken, die Kämpfe in Kroatien beeinträchtigten die ohnehin mühsehligen Verhandlungen kaum. Ihre Versuche, in Gesprächen mit Tudjman, Milošević und Ćosić am Samstag Zusagen für eine Einstellung der Kämpfe zu erhalten, scheiterten. Konferenzsprecher Eckard blieb zwar auf ausdrückliche Anweisung von Vance und Owen, wie er gegenüber der taz erklärte, dabei, die Präsidenten hätten „eine Verständigung über eine Beendigung der Kämpfe erzielt“, doch dem widersprach Ćosić.

Milošević, Ćosić und Karadžić nutzten die kroatischen Angriffe und bosnisch-muslimische Offensiven im Grenzgebiet am Drinafluß, um Kroaten und Muslime als „die Herren des Krieges“ (Milošević) und sich als die vordringlich an einer Friedenslösung Interessierten zu präsentieren. Ćosić und Karadžić erklärten mehrfach, ohne eine Beendigung der „kroatischen und muslimischen Aggressionen“ seien Verhandlungen „eigentlich nicht sinnvoll“. Obwohl er „eigentlich ausreichende Gründe“ habe, sich von den Verhandlungen zurückzuziehen, bleibe er vorerst dennoch am Konferenztisch. Ćosić nannte die Angriffe der Kroaten in der Kraijna eine „Aggression gegen die UNO-Truppe Unprofor“. Die mindestens fünf Überfälle auf Unprofor-Waffendepots seit Freitag nacht, bei denen serbische Milizionäre eine große Menge Waffen erbeuteten, wurden hingegen als „legitimer Verteidigungsakt“ bezeichnet.

Auf die Frage, warum Kroatien mit Angriffen ausgerechnet am Vorabend dieser Verhandlungsrunde der serbischen Seite den Gefallen getan habe, sich als die wahren Friedensfreunde zu profilieren, gab es zumindest keine offizielle Antwort. Ein enger Mitarbeiter Tudjmans erklärte gegenüber der taz, er habe dafür „selbst keine Erklärung“. Er widersprach jedoch Vermutungen, die Angriffe seien von lokalen Kommandeuren begonnen worden. Der Befehl sei „von ganz oben gekommen“.

In den Gesprächen über die Grenzen der künftigen zehn Provinzen Bosnien-Herzegowinas gab es keine greifbaren Fortschritte. Die für Sonntag nachmittag zu diesem Thema anberaumte Sitzung mit den drei bosnischen Führern wurde abgesagt. Stattdessen führten Vance und Owen bilaterale Gespräche mit Präsident Izetbegović, Boban und Karadžić. Andreas Zumach