Altlastsanierung: Dumm, aber realistisch

■ Wie Frankreichs Behörden auf 26 Tonnen PCB in Metzer Erde reagieren

Paris (taz) – Der Boden einer ehemaligen Transformatoren- Fabrik mitten in Metz ist mit polychlorierten Biphenylen (PCB) getränkt. 26 Tonnen dieser schon in kleinen Dosen giftigen Stoffe sind bei der Herstellung von elektrischen Transformatoren in der Fabrik „France-Transfo“ in die Erde gesickert. 20.000 Kubikmeter Erde wurden so bis zur Schließung der France-Trafo vor sieben Jahren verseucht. Die krebsauslösenden PCB können sich bei Menschen in Leber, Nieren und Milz einlagern und werden nur langsam abgebaut. Die PCB-getränkten Erdschichten „tauchen in den Grundwasserspiegel ein, der wiederum von der Seille – einem Zufluß zur Mosel – entwässert wird“, heißt es im Bericht der „Regionalen Direktion für Industrie, Forschung und Umwelt“ (Drire) in Lothringen vom Freitag, die damit auf Berichte der französischen Grünen reagierte. Wie es in dem Bericht der Drire weiter heißt, seien in der Seille „geringe Spuren PCB“ gemessen worden.

Der Fall wirft ein Licht darauf, wie langsam und schwerfällig die Vorschriften zum Umweltschutz in Frankreich durchgesetzt werden. France-Transfo war Ende 1985 geschlossen worden, nachdem im Keller eines Hauses in Reims ein Transformator explodiert war und dabei große Mengen Dioxin freigesetzt hatte. Da der Unfall Schlagzeilen machte, wurden die Maschinen und das Gebäude der Fabrik in Metz gründlich gereinigt. Der Boden erwies sich jedoch als derart verseucht, daß die Präfektur drei Jahre damit zubrachte, Studien über Wege zu dessen Entsorgung zu bestellen. Das Ergebnis: Die PCB-Konzentration ist zu hoch für die Lagerung auf einer Sondermülldeponie; sie ist nicht hoch genug, um die Erdmassen in die einzige französische Spezialfabrik zur Einäscherung von PCB zu verfrachten. Zudem wäre diese Firma mit dieser Aufgabe allein sechs bis zwölf Monate ausgelastet.

Die Behörden haben daher inzwischen das Einbunkern der verseuchten Erdschichten beschlossen. Dazu soll rund um das Terrain eine Zementmauer sieben Meter tief in die Erde gestoßen werden, also bis zum Beginn der isolierenden Tonschicht. „Das ist die dümmste, unbefriedigendste, aber realistische Lösung“, räumte der Direktor der Drire ein. Sie erlaube es abzuwarten, bis Wissenschaftler eines Tages eine Bakterie gefunden hätten, die das PCB vernichten könne. Erst im März 1991, also fünf Jahre nach Feststellung der Verseuchung, forderte der Präfekt die Firma France-Transfo zum Einbetonieren auf. Da die Firma nicht reagierte, erließ der Präfekt 1992 eine zweite und am 7. Januar eine dritte Verfügung. Doch erst der Medienwirbel veranlaßte die Firma zu der Mitteilung, sie werde die Arbeiten in Angriff nehmen.

Nach Ansicht von Daniel Beguin, Regionalrat der Grünen in Lothringen, zeigt der Fall die Unzulänglichkeit des erst im Juli 1992 erlassenen Gesetzes, das die Industrie zur Beseitigung ihrer Abfälle verpflichtet. „Der Staat kann nicht schnell genug zu Sanktionen greifen, um diese Vorschrift durchzusetzen. Wir fordern, daß der Staat einen Notfallfonds für derart dringende Altlastfälle einrichtet.“ Zudem dürfe die Umweltverschmutzung nicht länger Sache des Industrieministeriums sein, sondern gehöre in die Zuständigkeit der Umweltministerin. Welchen geringen Stellenwert die Umwelt für die Regierung habe, lasse sich jedoch am Haushalt des Ministeriums ablesen, der ein Viertel niedriger sei als das Budget des Ministeriums für die Kriegsveteranen. Umweltministerin Segolene Royal erklärte unterdessen, sie bereite ein Dekret zur Entsorgung aller 75.000 PCB- Standorte in Frankreich innerhalb von sieben Jahren vor.

Unterdessen sind in Südfrankreich 2,5 Tonnen PCB aus drei Transformatoren ausgelaufen: Die Geräte waren einfach auf einem Schrottplatz gelagert. Drei Männer hatten versucht, mit einem Schneidbrenner Kupfer herauszutrennen. Dabei wurde eine Fläche von 1.500 Quadratmetern verseucht. Bettina Kaps