Das erste „Volksbegehren gegen Menschen“

■ Kein gängiges ausländerfeindliches Ressentiment wurde in der zwölf Punkte umfassenden Vorlage des Haiderschen Volksbegehrens ausgelassen

„Scheiberl für Scheiberl ißt man die Salamiwurst“, sagen die Österreicher. Mit seinem Anti-Ausländer-Volksbegehren ist FPÖ-Chef Haider wieder ein großes Wurststück vorangekommen. Geschickt hat er das in der Verfassung enthaltene Instrument der direkten Demokratie genutzt, um seine politischen Gegner erst unter Druck zu setzen, dann als Tölpel vorzuführen und sich schließlich in der „Ausländerfrage“ selbst als Retter anzudienen.

Das heute beginnende Volksbegehren „Österreich zuerst“ ist – so behauptet Haider – ein „Eintreten für ein menschenwürdiges und geordnetes Zusammenleben“. GegnerInnen nennen es das erste „Volksbegehren gegen Menschen“ und einen „Appell an die niederen Instinkte der Eingeborenen“. Die zwölf Punkte im Volksbegehren nehmen sich aus wie das Ergebnis einer Umfrage an Österreichs Biertischen: Kein gängiges ausländerfeindliches Ressentiment wurde ausgelassen. Die Forderung nach einem befristeten Einwanderungsstopp „bis zur befriedigenden Lösung“ aller gegenwärtigen sozialen Probleme Österreichs – von der Wohnungsnot über die Arbeitslosigkeit und die Kriminalität – ist dabei nur der Gipfel. Daneben proklamiert es die „Ausweispflicht für ausländische Arbeitnehmer“, eine „Aufstockung der Fremdenpolizei“, die „Schaffung eines Grenzschutzes“, die Begrenzung des Anteils „fremder Muttersprachler“ am Schulunterricht auf 30 Prozent, „kein Ausländerwahlrecht“, keine „vorzeitige Verleihung“ der Staatsbürgerschaft, „rigorose Maßnahmen“ gegen Schwarzarbeit von Ausländern, „sofortige Ausweisung von ausländischen Straftätern“ und die Errichtung einer „Stiftung zur Verhinderung von Wanderungsbewegungen“.

Bis zum 1. Februar liegt die Vorlage in allen österreichischen Gemeinden aus. Wer in die Wahllokale hineingeht, weist sich somit bereits als UnterstützerIn des Populisten Haider aus. GegnerInnen des Volksbegehrens hoffen, daß der Zwang zur Offenlegung der eigenen Identität viele ÖsterreicherInnen vom Gang in die Bezirksämter abhalten wird.

Wenn 100.000 Unterschriften zusammenkommen oder die Vorlage in mindestens drei Bundesländern von jeweils einem Sechstel der Stimmberechtigten unterschrieben wird, muß sich das Parlament mit der Vorlage befassen; es ist jedoch nicht verpflichtet, entsprechende Schritte einzuleiten. Haider selbst hat sich das Ziel gesetzt, mindestens 500.000 Unterschriften zu bekommen.

Im Nationalrat verfügt die FPÖ über nicht einmal 20 Prozent der Mandate und wird das 12-Punkte- Programm also auf keinen Fall durchsetzen können – das haben die beiden Regierungsparteien SPÖ und ÖVP von vornherein deutlich gemacht. Doch um die Parlamentsdebatte geht es der FPÖ nicht. Sonst hätten ihre Abgeordneten das Anti-Ausländer-Begehren schon längst ohne Umwege im Nationalrat eingebracht. Das außerparlamentarische Forum eines Volksbegehrens verspricht eine viel größere propagandistische Wirkung. Traditionell bieten Volksbegehren die Möglichkeit, Themen zu setzen.

Beim nächsten Mal gegen Politiker-Privilegien

Diesen Vorteil nutzen auch die großen Parteien ÖVP und SPÖ. Insofern wäre auch ein schlechtes Ergebnis für Haider nur bedingt eine Niederlage. Das bislang erfolgreichste Volksbegehren, das sich gegen den Bau eines Konferenzzentrums richtete, erzielte 1,3 Millionen Stimmen. In dieser Höhe liegt auch die psychologische Meßlatte für Erfolg oder Mißerfolg Haiders. Wenn die FPÖ es schafft, diese Zahl zu übertreffen, etabliert sie sich – außerhalb von Wahlen – als stärkste Partei rechts von der SPÖ, stärker als die Regierungspartei ÖVP.

Ausrichter des Volksbegehrens ist zwangsläufig das Wiener Innenministerium, dessen sozialdemokratischer Chef Franz Löschnak auch an dem „Lichtermeer“ am vergangenen Samstag teilnahm. 15 Millionen Schilling (etwa 2,1 Mio. Mark) müssen Bund und Länder für die Organisation der ausländerfeindlichen Veranstaltung zahlen. Zu verhindern war sie angeblich nicht, eine rechtliche Prüfung ergab keine Einwände, behauptet die Pressesprecherin des Innenministeriums: „Egal welche Partei es beantragt – ein Volksbegehren ist ein demokratisches Instrument.“

Haider hatte dieses „demokratische Instrument“ im vergangenen Jahr zunächst als Drohung eingesetzt. Wenn die Regierung der „Systemparteien“ dem „Ausländerproblem“ kein Ende setzten, erklärte er noch im Herbst 92, werde er ein Volksbegehren durchführen. Mit der generalstabsmäßigen Vorbereitung trieb er die Koalitionsparteien erneut in die Enge. „Wir sind dabei, die Probleme zu lösen“, hieß es aus dem Hause von Innenminister Löschnak.

Zu unbotmäßig war Haider stellenweise auch die staatliche Vorbereitung seines Volksbegehrens. Wegen „Wahlbehinderung“ erstattete er Anzeigen gegen Gemeinden im Vorarlberg. Andernorts protestierte er, weil es angeblich zuwenig Unterschriftenlokale gibt. Haiders GegnerInnen sind zurückhaltender im Einsatz rechtlicher Mittel. In der Zeitung Standard und dem Monatsmagazin Forum kam zwar einmal der Vorschlag, die FPÖ zu verbieten, doch das hatte keine praktischen Konsequenzen. Die Evangelische Kirche in Österreich überlegte auch gestern noch, ob sie Strafanzeige gegen das Volksbegehren erstatten wird. Die Kirchenleitung hatte erklärt, das Volkbegehren könne „Fremdenhaß provozieren“ und sei „objektiv geeignet, die Fremdenfeindlichkeit in der Bevölkerung zu schüren“. Die der Staatskasse entstandenen Kosten sollten bei Haider wieder eingetrieben werden.

Haider scheinen derlei Überlegungen nicht sonderlich zu beunruhigen. In seiner Schublade liegt bereits das nächste Salamischeiberl: Er will wieder ein Volksbegehren inszenieren und er hat sich – geschickt, wie er ist – wieder einen österreichischen Dauerbrenner ausgesucht: Beim nächsten Mal will die FPÖ gegen die Politiker-Privilegien zu Felde ziehen.