■ Press-Schlag
: Matten-Konfusion

Eppelheim (taz) – Um 17.45 Uhr sprangen die in rote und blaue Leibchen gewandeten Fighter abwechselnd in die Höhe und freuten sich wie die Sieger. Sektkorken knallten, erst auf Goldbacher, dann auf Schifferstädter Seite. Sonntag abend im Heidelberger Vorort Eppelheim – soeben war der Rückkampf der Deutschen Mannschaftsmeisterschaft im Ringen zwischen dem VfK Schifferstadt und dem AC Bavaria Goldbach zu Ende gegangen. Punktestand: Schifferstadt 12,5 – Goldbach 9,5. Den Hinkampf hatten die Mainfranken mit 14:11 gewonnen. Schon vor dem letzten Kampf zwischen den beiden Türken Behcet Selimoglu (VfK) und Ahmet Cakici (ACG) begannen selbst Fachjournalisten zu eruieren, was denn das Reglement für den Fall eines Unentschieden vorsähe. Keiner blickte durch, am allerwenigsten wohl die Akteure selbst. Schließlich obsiegten die Jubelarien der Goldbacher, 10:9 Siege gaben den Ausschlag, ein Kampf endete unentschieden.

Angesichts der rassistischen Ausschreitungen der letzten Monate trugen jugendliche Mattenfüchse ein Transparent mit der Aufschrift „Ringen gegen Rassismus“ durch die Halle. Ein kleines Mädchen hielt eine kurze beachtenswerte Rede, in der es auf den hohen Anteil an ehemaligen Ausländern in beiden Teams hinwies: „Mit denen ringen wir nur auf der Matte, nicht auf der Straße.“ Und auf der Matte lief es für den VfK Schifferstadt gleich nach Plan.

Der ehemalige Armenier Stefan Gartmann lieferte sich mit Fuat Yildiz einen wahren Marathonkampf von fast elf Minuten, bis ihm beim Stand von 3:3 die entscheidende Wertung zum 5:3 gelang. 2:0 für den VfK, nur noch ein Punkt Rückstand war aufzuholen. Gegen Arawat Sabejew schickten die Goldbacher dann ihr einstiges Trumpf-As Gerhard Himmel im Freistil auf die Matte. Der hatte zwei Jahre in den USA studiert und sich gegen zweitklassige US-Ringer fitgehalten. Sabejew sammelte Punkt für Punkt, gewann 12:0 und sorgte für die 5,5:0-Führung.

Nach der Nullnummer des Stanislaw Kaczmarek gegen Jochen Richter sorgte dann Maik Bullmann gegen Bogdan Daras für die ersten drei Goldbacher Punkte. Animation genug für einen wie Markus Scherer. Das kleine Energiebündel legte gegen Ali Topsakal los wie die Feuerwehr, führte bald 8:0, doch der Goldbacher kam nach der Pause auf und verhinderte mit geschickter Gegenwehr eine Vierer-Wertung für den Schifferstädter. Die führten jetzt mit 8,5:3, und die drei folgenden Kämpfe mußten nun schon eine Vorentscheidung bringen. Schifferstadts Griechisch-Römisch-Trainer Frank Hartmann war denn hinterher auch zufrieden, daß nach dem 0:2 von Andreas Kubiak gegen Alexander Leipold und dem 0:2,5 von Laszlo Miklosch gegen Jürgen Scheibe Mirko Jahn gegen den ehemaligen tschechischen Vize- Weltmeister Jaroslaw Zeman eine 2:0-Wertung erreichte.

Nur eines störte. Die nicht unumstrittenen Kampfrichter hatten zwei Punkte für Jahn erst gegeben und dann wieder annulliert. Dies sollte mit entscheidend werden für das überaus spannende Ende. 10,5:7,5 führten die Schifferstädter, insgesamt Gleichstand 21,5:21,5. Nun war es an Claudio Passarelli, seinen Aussetzer vom Hinkampf gegen Mario Büttner wiedergutzumachen. Nach der Pause gelang Büttner eine 1er-Wertung, Passarelli glich bald darauf aus. Doch abermals wurde die Wertung des Vorderpfälzers auf Protest der Goldbacher annulliert.

So brachte der Goldbacher seine Mannschaft bis auf einen Punkt an den VfK heran – 10,5:9,5. Nun benötigte Behcet Selimoglu gegen Ahmet Cakici unbedingt eine 2,5-Wertung, einen Sieg mit mindestens fünf Punkten Differenz. Doch der Goldbacher hangelte sich über die Matte und über die Zeit, unterlag nur mit 0:1 und sicherte dem AC Goldbach den dritten Meistertitel in Folge. Trotz der allgemeinen Konfusion um den wahren Meister blieb es in der vollen Rhein-Neckar-Halle ruhig, zügelten aufgebrachte und Rettichfest-erprobte Schifferstädter Fans ihr Temperament und erregten sich „nur“ über die Kampfrichter. So sah es auch Frank Hartmann, der offen bekannte, es sei bei diesem Kampf nicht mit rechten Dingen zugegangen. „Der Cakici war doch im Schlußkampf absolut passiv, Grund genug für eine Disqualifikation, aber bei dem Stand... Und die annullierten Punkte waren schlicht skandalös.“

Trai„nerkollege Willi Heckmann (VfK-Freistil) sah dies im Falle Passarelli anders: „Die Zurücknahme war korrekt, es war keine 1er-Wertung.“ Der VfK Schifferstadt, der ebenfalls ein verdienter Meister gewesen wäre, verlor den Titel nicht in Eppelheim, sondern bereits eine Woche zuvor in Aschaffenburg, als er es versäumte, den ACG entscheidend zu besiegen. Günter Rohrbacher-List