Vertrackte Bahn-Privatisierung

In Britannien soll die Schienengesellschaft „Railtrack“ kostendeckend wirtschaften/ Zahlen sollen die Regionalgesellschaften/ Vermutete Folge: Umständliches Reisen zu höheren Preisen  ■ Von Ralf Sotscheck

London (taz) – Die staatliche britische Eisenbahngesellschaft British Rail, die im vergangenen Jahr 145 Millionen Pfund (etwa 360 Millionen Mark) Verlust eingefahren hat, soll im nächsten Jahr in ihre Bestandteile zerlegt werden, um sie auf die Privatisierung vorzubereiten. Von dem Gesetzentwurf, den die Regierung Ende vergangener Woche vorlegte, sind im Prinzip auch die U-Bahnen von London, Newcastle und Glasgow betroffen. Als neue Unternehmen sind vorgesehen: „Railtrack“ soll für die Infrastruktur einschließlich Schienennetz und Signale zuständig sein, während der Eisenbahnbetrieb in Regionaleinheiten aufgeteilt wird. Nach Äußerungen von Transportministers John MacGregor wird die Privatisierung allerdings kaum vor Ende des Jahrhunderts abgeschlossen sein.

Nicht nur die Oppositionsparteien und Gewerkschaften, sondern auch Benutzervereinigungen, die Angestellten von British Rail und viele Tory-Hinterbänkler lehnen MacGregors Pläne ab. Brian Wilson, Transportminister im Labour-Schattenkabinett, bezeichnete das Privatisierungspaket als „bürokratischen Alptraum“. Der Wasserkopf der Verwaltung soll nämlich noch weiter aufgebläht werden: eine Lizenzbehörde wird für die Einteilung und Vergabe der Regionaleinheiten zuständig sein, eine Aufsichtsbehörde soll über den fairen Wettbewerb wachen, und eine ganze Reihe von regionalen Interessenvertretungen sollen sich um die Belange der KundInnen kümmern.

Drüber hinaus ist das Konzept, das 132 Punkte umfaßt, noch völlig unausgegoren. So geht aus dem Gesetzentwurf nicht hervor, ob sich die Konkurrenten bei der Gestaltung der Fahrpläne und bei bestimmten Sonderleistungen absprechen dürfen. Den privaten Busunternehmen wurde das zum Beispiel in der Vergangenheit in vielen Fällen untersagt. Unklar ist auch, ob die Unternehmen die Fahrkarten der Konkurrenten anerkennen oder über deren Fahrpläne informieren werden. So müssen Passagiere zwischen London und Edinburgh möglicherweise ein Dutzend Tickets an ebenso vielen Schaltern erstehen, falls sie sich im Fahrplandschungel überhaupt noch zurechtfinden. MacGregor will die Privatunternehmen aber „ermutigen, aufgrund des gemeinsamen wirtschaftlichen Interesses Absprachen zu treffen“.

Eins ist jedenfalls sicher: Die Fahrpreise werden kräftig steigen. Zum einen fallen verbilligte Fahrkarten weg, wenn sich die Zugfahrt nicht auf einen Anbieter beschränkt, zum anderen sollen die Subventionen zurückgeschraubt werden, so daß die Privatunternehmen gezwungen sind, mit Profit zu fahren. Im Gegensatz zu Schweden, wo der Staat Zuschüsse zur Verbesserung der Infrastruktur zahlt, muß Railtrack sämtliche Kosten von den Regionalanbietern eintreiben. Außerdem müssen die Privatgesellschaften strikte Sicherheitsbestimmungen erfüllen, die hohe Investitionen erfordern. Sollte ein Unternehmen pleite gehen, fällt die Konkursmasse an die Lizenzbehörde zurück. Das wird potentielle Investoren in Schwierigkeiten bringen, weil sie ihre Wirtschaftsgüter nicht als Sicherheit einsetzen können.

MacGregor versprach, demnächst eine Kostenanalyse vorzulegen. Seine Idee, den Wettbewerb zu forcieren und dadurch den Service zu verbessern, hat er inzwischen ad acta gelegt: viele Strecken werden auf Monopolbasis vergeben. Da in dem Gesetz jedoch nichts über die Dauer der Lizenzen steht, werden sich die Unternehmen hüten, voreilig in einen besseren Service zu investieren. So müssen sich die Passagiere auf umständliche Reisen zu höheren Preisen in veralteten und seltener verkehrenden Bahnen einstellen.