Mord an Kerstin Winter ungeklärt

■ Die linke Szene in Freiburg spricht nach dem tödlichen Bombenattentat auf Kerstin Winter von einem faschistischen Anschlag, das Landeskkriminalamt ermittelt indes noch "in alle Richtungen"

Berlin (taz) – Bei der Deutschen Presse-Agentur wird der Mord an Kerstin Winter unter der Rubrik „Vermischtes“ geführt, die linke Szene Freiburgs jedoch ist sich sicher: Das Attentat auf die 24jährige Antifaschistin war politisch motiviert. „Es gibt keinen Grund zur Annahme, daß es kein faschistischer Anschlag war“, schreibt das aus Freunden und Bekannten gegründete „Autonome Komitee Kerstin“ in einer Presseerklärung. Eine Einschätzung, derer sich nun auch das Landeskriminalamt nicht mehr verschließen kann, die die Ermittlungen von der Freiburger Kriminalpolizei übernommen hat. „Wir haben nie ausgeschlossen, daß auch ein politisches Motiv hinter dem Anschlag stecken könnte“, korrigiert Manfred Grimm, Leiter der auf zwanzig Personen aufgestockten Sonderkommission, die Aussagen eines Kollegen. Allerdings, so Grimm, sei das eine von vielen Richtungen, in die ermittelt werde. Doch schon die Tatsache, daß das LKA die Ermittlungen an sich genommen hat, deutet darauf hin, daß es sich um kein „normales“ Kapitalverbrechen handelt.

Kerstin Winter war am Freitag beim Öffnen eines an sie adressierten Postpaketes getötet worden, als der Sprengsatz darin explodierte. Bevor ihr Freund Hilfe holen konnte, war Kerstin Winter tot.

Warum sich das AKK so sicher ist, daß das Attentat faschistischen Kreisen zuzuorden ist, wollen Vertreter noch nicht bekanntgeben. „Wir ziehen es vor, uns nicht von de Trauer zu unüberlegten Handlungen hinreißen zu lassen“, erklärt der Sprecher der AKK, der beim freien Privatsender „Radio Dreyeckland“ die Informationsarbeit koordiniert. „Wir lassen es nicht zu, daß staatliche, repressive Organisationen unnötig Einblick in linke Strukturen bekommt.“ Gründe, warum die Rechtsradikalen ausgerechnet Kerstin Winter zum Opfer auserkoren haben sollen, bleiben schwammig. „Die Rechten haben Aktionen gegen Ausländer und Linke angekündigt. Kerstin war eine Linke und zudem eine Frau. Politische aktive Frauen passen, zumal linksorientiert, nicht in das Denkschema der Faschisten“, so das AKK.

Tatsächlich stand Kerstin Winter in der linken Freiburger Politszene von der informellen Wichtigkeit her beileibe nicht in letzter Reihe. Sie arbeitete seit mehreren Jahren in der Antifa-Bewegung mit und kämpfte in der AZ-Ini für Autonome Jugendzentren. Die gewichtigste Rolle spielte sie in der Gruppe „Punks gegen Langeweile“, einer Gruppe, in der sich junge Punker zusammengeschlossen haben, um politisch aktiv zu werden. Gemeinsam führten sie Sprüh- und Klebeaktionen gegen die Heroindealer in Freiburg durch, gemeinsam kämpfen sie um ein autonomes Jugendzentrum, auch im benachbarten Waldkirch. Mit Rechtsradikalen, besonders im Umfeld rund um den Kaiserstuhl stark vertreten, gab es bisher keine nennenswerten Auseinandersetzungen. Auch für Mutmaßungen, Kerstin Winter sei ein Opfer der Drogenmafia geworden, waren die Störaktionen sicher zu harmlos. Die anfängliche Vermutung, daß der Mann, der Kerstin Winter vor einigen Jahren vergewaltigt hat, mit dem Anschlag zu tun hat, hat sich zerschlagen. Der Betreffende sitzt im Gefängnis. Nicht einmal die Briefbombe konnte Aufschluß geben, die Untersuchungen dauern an. Bislang sind der Polizei keine Fälle bekannt, wo organisierte Rchtsradikale Attentate mit Briefbomben durchgeführt haben. Michaela Schießl