Flucht vor den Kämpfen um Kabul

■ Die afghanische Hauptstadt liegt seit einer Woche wieder unter schwerem Beschuß der Mudschaheddins Hekmatyars

Kabul (AFP/taz) – Der Machtkampf rivalisierender Mudschaheddin-Gruppen um Kabul wird mit aller Härte fortgesetzt. Anhänger der Hesb-i-Islami von Paschtunen-Führer Gulbuddin Hekmatyar berichteten, sie hätten nach sechstägigen heftigen Gefechten mit Regierungstruppen am Wochenende die Chelsitoon-Berge im Süden der Hauptstadt eingenommen und dort schwere Artillerie zusammengezogen. Die Regierungstruppen teilten mit, sie hätten sich in ihren Stellungen vergraben und inzwischen mit Panzerabwehrraketen und Munition versorgt.

In der Gegend lebende Zivilisten wurden den Augenzeugen zufolge von den Gefechten vertrieben. Die meisten ergriffen die Flucht zu Fuß. Dem Roten Kreuz zufolge wurden während der Gefechte der vergangenen Woche schätzungsweise 720 Verwundete in Krankenhäuser eingeliefert. Hunderte Raketen waren in Kabul eingeschlagen und hatten großen Schaden angerichtet. Zeugen hatten berichtet, die Geschosse seien aus dem Süden der Stadt gekommen, wo die Hesb-i-Islami ihr Hauptquartier haben.

Die Zahl der Menschen, die dem ständigen Raketenbeschuß, Hunger und beißender Kälte aus Kabul in Richtung Pakistan zu entfliehen suchen, wächst ständig. Nur unregelmäßig erreichen Hilfstransporte mit Nahrungsmitteln die Stadt, denn die Hauptverbindungsstraße von Pakistan ist durch die Kämpfe zwischen verschiedenen Mudschaheddin-Fraktionen sehr unsicher geworden. Im übrigen haben hier eine Vielzahl von Milizen der verschiedenen Fraktionen Kontrollposten errichtet.

Die UNO hatte in der vergangenen Woche erneut zu humanitärer Hilfe für Afghanisan aufgerufen. 138,1 Millionen US-Dollar seien in diesem Jahr notwendig, sagte der für Afghanistan zuständige UN- Sprecher Sotirios Mousouris in Genf. Mit diesem Geld soll die Minenräumung, Lebensmittel, Medikamente und Trinkwasser finanziert werden. Im vergangenen Jahr sind über 1,5 Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt, 1993 werden es weitere zwei Millionen sein, schätzt die UNO. Dann würden immer noch je eine Million im Iran und in Pakistan auf ihre Rückkehr warten. Um in ihren Dörfern wieder Fuß fassen zu können, brauchen sie Saatgut und Dünger.

Im vergangenen Jahr habe die UNO für Afghanistan 179,7 Millionen US-Dollar gefordert, doch weniger als die Hälfte dieser Summe erhalten. „Afghanistan ist nicht mehr in den Schlagzeilen. Es wird nicht mehr berücksichtigt. Das ist eines der bedauerlichen Ergebnisse des beendeten Kalten Krieges“, sagte Mousouris am vergangenen Donnerstag.