: Die Natur malt zurück
■ Windgefertigte Bilder von Dong-Jo Yoo in der neueröffneten Galerie Villa Lupi
in der neueröffneten Galerie Villa Lupi
Auch heute weht der Wind. Woher und wohin ist meist egal. Für das wozu hat der Koreaner Dong-Jo Yoo eine erstaunliche Antwort. Er nutzt die Luftbewegungen für seine Bilder. In der neueröffneten Ausstellungshalle der Villa Lupi stehen zwei Topfpflanzen und bewegen einige ihrer Blätter auf unerwartete Weise. Sie sind per Nylonfaden mit einem großen Baum hinter dem Gebäude verbunden. Dazwischen ist ein Stift gebunden, der mit einem Blatt Papier an der Wand Berührung hat. Wenn der Wind draußen weht, bewegen sich Baum und Pflanze – dazwischen tanzt der Stift auf dem Papier.
So entstehen feine, dynamische Zeichnungen, die fast die Natur selbst gemalt hat. „In Korea sagt man, wenn man etwas sehr gut gemalt hat, man habe gemalt, wie ein Geist es täte“, weiß Dong-Jo Yoo zu berichten und verhilft den Windgeistern dazu, sich ohne Umweg über den Maler auszudrücken.
Seine Kunst soll in der Tradition der großen asiatischen Denker die starke Trennung von Innen und Außen, von Mensch und Natur ein wenig mildern und in einer weiseren Kultur wieder in Einklang bringen. Dong-Jo Yoo hat in den 70er- Jahren in Korea Malerei studiert und entwickelte dann immer stärker Projekte in und mit der Natur. 1982 grub er tausende von Flaschen in verschiedenen Neigungswinkeln am Strand des Kum-Flusses ein und baute so den Winden eine Orgel.
Seit 1989 lebt Dong-Jo Yoo in Hamburg. In der HfbK zeigte er 1990 eine dem ökologischen Denken verpflichtete Arbeit. Mitten im Raum stand eine Zinkwanne, in der ein Brett mit der Aufschrift „Wasser“ schwamm. Von diesem führte eine Angelschnur zu einem größe- ren Holz, das draußen auf einem
1Kanal schwamm. Dieses übertrug alle Bewegungen auf sein Modell im Raum und verband das technisch verfügbare Leitungswasser mit dem naturräumlichen, aber verschmutzten Element.
Die künstliche Natur der Außenalster ergänzte er 1991 mit natürlicher Kunst: Mit Bäumen im Boot ließ er sich auf dem Wasser treiben, bis er ans Ufer gespült wurde. Dort pflanzte er je eine Kiefer. Das Schicksal der jungen Bäume war so auch wieder von der Willkür der Naturkräfte abhängig. Vier von den acht Koniferen haben
1bis heute überlebt. In der Ausstellung ist über diese Aktion ein Videofilm von Mike Hentz zu sehen. In seinen neuesten Zeichnungen befasst sich Dong-Jo Yoo mit Winkeln: In Zimmerecken lagert Staub, vor Fußballtoren bilden sich tote Dreiecke auf dem Rasen, in Flußeinmündungen wird Sand abgelagert... Solche natürlichen Dreiecksformen werden das Material für Dong-Jo Yoos nächstes Konzept.
Die Villa Lupi hat im Dezember unter der Leitung von Michael Fessel den Ausstellungsbetrieb im Nebenraum eines ehemaligen Straßen-
1bahndepots wiederaufgenommen. Doch sie ist nicht nur ein Ausstellungsraum, sondern ein über zehn Jahre altes Kulturprojekt, in dem Künstler leben und arbeiten. Auch die nächste Präsentation im März hat asiatische Harmonievorstellungen zum Hintergrund: Der documenta-Teilnehmer Keun Byung Yook, auch er aus Korea, installiert mit Video und Erdhügeln „The Sound of Landscape for the Harmony of the Male and Female Principle“. Hajo Schiff
Villa Lupi, Heußweg 40; Mi.-Sa. 16-19.30; bis 15.2.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen