Verfassungsklage gegen Stadtratswahl

■ PDS Weißensee klagt vor Verfassungsgericht auf Neubesetzung eines Stadtratspostens / Anliegen der Partei hat gute Chancen / In ähnlichem Fall sahen Richter Grundsatz der Chancengleichheit für...

Berlin. Acht Monate nach den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen ist noch immer nicht die Besetzung aller Bezirksämter geregelt. Die PDS in Weißensee will vor das Berliner Verfassungsgericht gehen, um eine Neubesetzung eines Stadtratspostens zu erreichen, der bislang von der SPD gehalten wird. Wie der PDS-Fraktionsvorsitzende Martin Dressel gestern gegenüber der taz erklärte, habe seine Partei einen Anwalt mit der Vorbereitung der Klage beauftragt. Dressel rechnet sich gute Chancen aus, denn in einem ähnlich gelagerten Fall hatte das Verfassungsgericht im Oktober letzten Jahres der Klage der Wilmersdorfer CDU stattgegeben.

Der Streit um die Besetzung war kurz nach den Wahlen zur BVV ausgebrochen. Da die SPD doppelt so viele Verordnete hatte wie die PDS, stellte sich bei der Nominierung der Stadträte nach dem d'Hondtschen Höchstzahlverfahren ein Patt zwischen beiden Parteien heraus. In diesem Fall ist das Wahlverfahren gesetzlich nicht klar geregelt. Die PDS wollte das Los entscheiden lassen, doch die SPD setzte sich in der Bezirksverordnetenversammlung mit ihrer Position durch, zur Entscheidung die Zahl der bei der BVV-Wahl auf die beiden Parteien abgegebenen Stimmen zugrunde zu legen. Das brachte ihr den erforderlichen Vorteil, um vier von sieben Stadtratsposten zu besetzen.

Am 19. Oktober entschied der Berliner Verfassungsgerichtshof einen ähnlich gelagerten Fall in der BVV Wilmersdorf. Die Richterinnen und Richter kritisierten seinerzeit grundsätzlich, daß ein solches Vorgehen zwangsläufig dazu führe, „daß die Mehrheit der BVV unter mehreren denkbaren Verfahren dasjenige wählt, das ihr von seinem Ergebnis her am günstigsten erscheint“. Damit sei der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt. Um die Chancengleichheit zu wahren, sei die Anwendung des Losverfahrens zwingend geboten. Die Weißenseer BVV sah in dem Richterspruch bislang keinen Anlaß, ihre Entscheidung vom Sommer letzten Jahres zu revidieren. Noch am letzten Mittwoch lehnte sie einen entsprechenden Antrag der PDS-Fraktion mit der Mehrheit der Stimmen von CDU, SPD und Reps ab. Bürgermeister Gert Schilling erklärte dabei, daß man sich im Juni, als über das Wahlverfahren entschieden wurde, noch im Einklang mit geltendem Recht befand.

Dressel will es jedoch nicht hinnehmen, daß bei der Wahl „der eine keine Chance hat und der andere alle“. Durch die Klage der PDS soll das Verfassungsgericht veranlaßt werden, nun auch in Weißensee dem von ihm formulierten Grundsatz Geltung zu verschaffen. Dieter Rulff