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: Segen und Regen

Vox-Start, Montag, 17 Uhr

Geschlagene fünfeinhalb Stunden mußten wir uns gedulden, bis endlich kam, was die Vox-PR- Strategen womöglich mit „Ereignisfernsehen“ gemeint haben könnten. Punkt 22.40 Uhr stapfte ein wutschnaubender Erich Riedl (CSU) unter Protest („Sozi gegen Sozi, da mach ich nicht mit“) vorzeitig aus dem Talk namens „Schlagabtausch“. Zurück im Studio blieben Freimut Duve (SPD) und Moderator Hanjo Seißler, der die Politiker mehr plump als originell in Rage gebracht hatte. Wobei die Herren Volksvertreter allerdings einen derart überdrehten Eindruck machten (auch Duve drohte später mit Auszug), als habe man ihnen irgend etwas in den Tee getan.

Die Posse geriet unwillkürlich zum Highlight einer ansonsten wenig spektakulären Vox-Premiere. Ab 16.58 Uhr durfte Nachrichten-Moderatorin Desirée Bethge demonstrieren, wie man sich gewissenhaft vorbereitet (hier mal striegeln, da noch zupfen), um um 17.00 Uhr nicht etwa dem Weltgeschehen, sondern frohlockenden Worten des Programmchefs Ruprecht Eser in des Senders eigener Sache Platz zu machen. Und dann noch immer nicht Politik, aber ein bemerkenswertes Politikum: ein Spot, in dem Landesvater Johannes Rau unumwunden Werbung für ein privatwirtschaftliches Unternehmen namens Vox machte. Nicht nur Mölli, Schwaetzer & Co. dürften anläßlich dieser Segnung Ohren und Stifte gespitzt haben.

Die Nachrichten, die dann doch noch kamen, waren in puncto Qualität und Originalität kaum dazu angetan, irgendeine Konkurrenz das Fürchten zu lehren (die Hauptausgabe um 19.45 Uhr mit Wibke Bruhns schon gar nicht).

Wenn es in programmatischer Hinsicht an diesem Abend bei Vox etwas wirklich Bemerkenswertes gab, so war es die exquisite Wetterkarte. Einige handgemalte Wölkchen, ein paar dezente Striche auf bräunlichem Hintergrund und links daneben ein schlichtes Thermometer. Auch wenn die Stimme aus dem Off mit Regen drohte, mit so viel Mut zur kompromißlosen Selbstbeschränkung hat im Zeitalter der auf allen Kanälen entfesselten Animationskünste lange kein Sender mehr aufgewartet. Reinhard Lüke