Kumpel fahren wieder ein

Dreißig britische Bergwerke werden nicht stillgelegt/ Wende in der GB-Energiepolitik/ Tory-Ausschuß fiel Major in den Rücken  ■ Von Ralf Sotscheck

Dublin (taz) – Das Skelett der Bergbauindustrie, das er eigentlich vor drei Monaten begraben wollte, wird für den britischen Premierminister John Major immer mehr zum Alptraum. Nachdem ihm nun auch seine eigene Partei in den Rücken gefallen ist, hat die Regierung eine Wende in ihrer Energiepolitik vollzogen. Ein von den Tories dominierter Unterhaus-Ausschuß hatte am Wochenende die Art und Weise, auf die im Oktober einunddreißig Bergwerke praktisch im Handstreich stillgelegt werden sollten, heftig kritisiert. Die Abgeordneten verlangten, daß sämtliche Bergwerke in Betrieb bleiben, bis eine unabhängige Untersuchungskommission die finanziellen und sozialen Kosten für jede einzelne Mine ermittelt hat.

Am Montag abend legte der Ausschuß einen Maßnahmenkatalog vor, der achtzehn bis zwanzig Bergwerken eine dreijährige Galgenfrist einräumen soll. Welche Bergwerke das sind, darf die staatliche Kohlegesellschaft British Coal selbst entscheiden. Das Paket wird vermutlich nach Majors Rückkehr aus Indien am Freitag verabschiedet, obwohl die Labour Party nach wie vor darauf besteht, sämtliche einunddreißig Bergwerke zu retten.

Der Ausschuß macht den Vorschlag, die Kohleproduktion von vierzig auf sechzig Millionen Tonnen pro Jahr zu steigern. Die zusätzlichen zwanzig Millionen Tonnen sollen drei Jahre lang mit fünf Pfund (etwa zwölf Mark) pro Tonne subventioniert werden. Der Brüsseler EG-Kommissar Karel Van Miert hat dafür in der vergangenen Woche grünes Licht gegeben, und auch Umweltminister Michael Heseltine ist damit einverstanden. Das Geld soll zum Teil durch eine Erhöhung des Strompreises aufgebracht werden. Heseltine sieht das offenbar als Strafaktion: da die Öffentlichkeit mit Massenprotesten die Stillegungen verhindert hat, soll sie nun auch für das Überleben der Bergbauindustrie blechen.

Das Gerücht, wonach der Kohlezuschuß zehn Pfund pro Tonne betragen sollte, hat der Ausschuß zurückgewiesen. Es ist wahrscheinlich von der Regierung ausgestreut worden, um die öffentliche Unterstützung für die Kumpel zu untergraben. Der frühere Geschäftsführer von British Coal, Malcolm Edwards, bezeichnete das Gerücht sogar als miesen Trick der Regierung, um von den hohen Profiten der Stromindustrie abzulenken. Die erhöhen nämlich laut Edwards die Chancen der Regierung, die restlichen vierzig Prozent der Stromaktien, die noch in ihrem Besitz sind, ebenfalls an Privatunternehmen zu verscherbeln.

Ob die Kohleindustrie die dreijährige Atempause nutzen kann, um sich einen Marktanteil zu sichern, hängt von den weiteren Empfehlungen des Ausschusses ab, über die noch verhandelt wird. So sollen der Bau gasbetriebener Kraftwerke, der Import billigen französischen Atomstroms, der Braunkohle-Tagebau sowie die Verwendung von umweltschädlichem Kohleschlamm eingeschränkt werden. Der Konservative Michael Clark, ein Mitglied des Ausschusses, sagte am Montag: „Es ist doch wohl besser, die Kohleindustrie zu subventionieren, anstatt die Arbeitslosigkeit zu subventionieren.“

Der Unterhaus-Ausschuß geht mit Major und Heseltine sowie mit British Coal hart ins Gericht. Die Regierung und die Kohlegesellschaft haben „fundamentale Fehler“ begangen, heißt es in dem Bericht. Die Parlamentarier schätzen, daß die Stillegungen den Verlust von hunderttausend Jobs nach sich ziehen würden – und das zu einem Zeitpunkt, wo die Arbeitslosigkeit laut Angaben des Industrieverbands am Wochenende die Drei- Millionen-Grenze erreicht hat und die Fertigungsindustrie noch ein Stück tiefer in die Rezession geschliddert ist.

Aufgrund der Spekulationen, daß Finanzminister Norman Lamont dem Druck demnächst nachgeben und die Zinsen senken wird, ging es mit der Sterling-Währung seit Freitag deutlich bergab. Gestern lag das Pfund bei 2,46 Mark.