Kleinbauern zersiedeln den Amazonas

■ Aber die Zahl der Brandrodungen 1992 gegenüber dem Vorjahr gesunken

Rio de Janeiro (taz) – Die Zersiedlung des brasilianischen Regenwaldes schreitet unaufhörlich voran. Obwohl die brasilianische Regierung versucht, die Abholzungen und Verbrennungen im Amazonasgebiet einzuschränken, sägen sich Siedler und Kleinbauern von Süden her immer tiefer in den Urwald hinein. Dies geht aus den neuesten Satellitenaufnahmen des brasilianischen Instituts für Raumforschung (Inpe) hervor.

„Die neuen Siedlungen befinden sich am Rande der „Transamazonica“, insbesondere zwischen den Städten Itatuba und Humaita“, erklärt Marcos Costa Pereira, verantwortlich für die Inpe- Bilanz des vergangenen Jahres. Erstmals seit 1989 seien am Rande der berühmten Straße, die den brasilianischen Urwald von Osten nach Westen durchquert, wieder neue Konzentrationen von Unterkünften ausgemacht worden. Ein weiteres Zentrum sei um den Ort Aripuana im Norden des Bundesstaates Mato Grosso entstanden, an der Grenze zu Amazonien. Die Siedlung liegt mitten in einem Naturschutzgebiet, der „Reserva Florestal Aripuana“.

Die Anzahl der Brandstellen, die der Satellit Noaa in 113 Aufnahmen festhielt, ist jedoch gegenüber dem Vorjahr gesunken. Nach Angaben Pereiras wurden 1992 insgesamt 166.441 Brennpunkte registriert, die Hälfte davon im Trockenmonat August. Im August 1991 machten die Wissenschaftler vom Inpe noch 209.000 Flammenherde aus.

„Die meisten Verbrennungen wurden in den an den Amazonas angrenzenden Buschsteppen registriert, nicht im Regenwald“, stellt Pereira klar. Über Zahlen, wieviel Quadratkilometer Urwald denn nun im vergangenen Jahr in Flammen aufgegangen sind, verfügt er nicht. Die Schätzungen seien zu unpräzise. Inpe würde nur noch mit der Beobachtung von Brandherden arbeiten; darin seien aber die Abholzungen miterfaßt, denn der Wald würde zunächst abgeholzt und dann verbrannt. „Dies ist die billigste Art, eine Fläche zu reinigen“, erklärt Pereira.

Ein Vergleich mit dem Zahlenmaterial vom Jahr 1991, als 11.100 Quadratkilometer Urwald vernichtet wurden, ist deshalb ausgeschlossen. Philip Fearnside vom nationalen Institut für Amazonasstudien (Inpa) aus Manaus bestätigt die abnehmende Tendenz bei den Verbrennungen. „Die Rezession hat sich 1992 gegenüber dem vorherigen Jahr verschlimmert, zur Zeit investiert keiner mehr in den Amazonas“, erklärt der amerikanische Wissenschaftler. Dennoch sei die Zerstörung des Regenwaldes, zumal sie der lokalen Bevölkerung keinen unmittelbaren Nutzen einbrächte, noch immer viel zu hoch.

Die brasilianische Regierung hat die „beruhigenden Zahlen“ noch gar nicht zur Kenntnis genommen, sondern ist damit beschäftigt, verstaubte Projekte zum Schutz des Regenwaldes aus der Schublade zu ziehen. Der neue Umweltminister Coutinho Jorge versicherte kürzlich gegenüber der Weltbank, daß Brasilien in diesem Jahr seine Fähigkeit „Projekte zu leiten“, unter Beweis stellen werde.

Die Ankündigungen von Coutinho Jorge sind dringend notwendig, um das angespannte Klima zwischen Weltbank und der brasilianischen Regierungen aufzulockern. Die Weltbank hatte dem Amazonasland vor drei Jahren einen Kredit in Höhe von 117 Millionen Dollar bewilligt. Doch die Regierung in Brasilia hat bis jetzt nur zehn Prozent davon genutzt. In diesem Jahr sollen nach Angaben des Ministers mindestens 50 Millionen Dollar des Kredits für die Pflege von Naturschutzgebieten, den bedrohten Küstenwald, die Sumpfregion „Pantanal“ sowie Kontrolle gegen Gesetzesüberschreitungen ausgegeben werden.

Neben dem Kredit der Weltbank kann Brasilien in diesem Jahr außerdem mit der Unterstützung der Industriestaaten rechnen, die sich auf der UNO-Umweltkonferenz im Juni vergangenen Jahres in Rio dazu verpflichteten, 250 Millionen Dollar zur Erhaltung des Regenwaldes zu investieren. Der erste Schub des G-7-Zuschusses, 22 Millionen Dollar, soll auf ausdrücklichen Wunsch von Präsident Itamar Franco dazu dienen, Verbrennungen zu überwachen und zu verhindern. Astrid Prange