André Bries unbekannte Stasi-Dienste

Als „IM Peter Scholz“ berichtete der frühere Berliner PDS-Landesvorsitzende der Stasi mehr, als bisher zugegeben/ Nach dem „Sputnik“-Verbot fiel der IM aber in Ungnade  ■ Aus Berlin Wolfgang Gast

Berlin (taz) – Der frühere Landesvorsitzende der PDS in Berlin, André Brie, war der Stasi weitaus mehr zu Diensten, als er gegenüber seiner Partei eingeräumt hat. Dies geht aus den Unterlagen der Staatssicherheit hervor, die in den Archiven der Gauck-Behörde lagern. André Brie hatte sich entgegen des „MfS-Beschlusses“ der PDS seiner Partei nicht offenbart. In der dadurch ausgelösten parteiinternen Debatte war auch der scheidende PDS-Bundesvorsitzende Gregor Gysi heftig kritisiert worden. Gysi war über die Stasi- Kontakte seines Parteifreundes informiert, hatte ihm aber geraten, sie für sich zu behalten.

Der im März 1950 geborene Diplomstaatswissenschaftler wurde im August 1970 als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Decknamen „Peter Scholz“ geworben. Grundlage dafür bildete, wie die Stasi in einer „Bestandsaufnahme“ 1984 festhielt, seine politische Überzeugung.

„IM Scholz“ wurde anschließend 1971 an die AbteilungIII des Auslandsspionagedienstes „Hauptverwaltung Aufklärung“ übergeben, da er am Institut für Internationale Beziehungen ein Studium in der Fachrichtung Außenpolitik aufgenommen hatte. Nach Studienende wurde Brie am Babelsberger Institut 1976 zunächst wissenschaftlicher Aussistent, nach seiner Promotion 1979 Oberassistent. „Auf Grund seiner Arbeitsaufnahme“, hielt die Stasi fest, erfolgte die Übergabe des IM mit der Registriernummer „XVIII/17 34/70“ an die Abteilung II/6 der Postdamer Berzirksverwaltung. Ausweislich der Stasi-Akten wirkte Brie unter anderem mit bei der

–Aufklärung und Kontrolle des Auslands- und Reisekaderstammes,

–der Bespitzelung von Institutsangehörigen und

–bei der Einschätzung von „Personen aus dem kulturellen Leben der DDR“.

Die Arbeitsergebnisse wurden als „qualitativ wertvoll“ betrachtet, die Anbindung an das Mielke- Ministerium als „sehr fest“ bezeichnet. André Brie hat lediglich eingeräumt, Berichte über Institutsmitglieder verfaßt zu haben. Seine Berichte lieferte der IM teils handschriftlich, teils diktierte er sie seinem Führungsoffizier auf Tonband. Er lieferte aber auch Einschätzungen zum Charakter seiner westlichen Gesprächspartner.In den Stasi-Akten findet sich auch ein Bericht „zur Persönlichkeit“ des außen- und sicherheitspolitischen Experten der SPD, Karsten Voigt. „Soweit ich einschätzen kann“, diktierte „IM Scholz“ seinem Führungsoffizier am 1.September 1988 auf Band, „ist [er] ein sehr kluger, hochgebildeter Politiker mit beträchtlichen Perspektiven in der SPD und innerhalb der Sozialistischen Internationale.“ Voigt sei allerdings „auch eindeutig eitel, hat einen beträchtlichen Geltungsdrang, einen ausgesprochen ausgeprägten politischen ud persönlichen Ehrgeiz“. Weiter wußte der IM, daß Voigt sich gerne mit Frauen umgebe, „sehr gern trockenen Wein trinkt“ und „vom Unstrutwein der DDR“ schwärme.

Bislang unbekannt war auch, daß Armeegeneral Mielke mit Befehl vom 8.Februar 1987 die Auszeichnung des IM mit der Verdienstmedaille der NVA in Bronze veranlaßte. Anläßlich des 37. Jahrestages des MfS wurde der IM wegen seiner „bewiesenen hohen Einsatzbereitschaft und Zuverlässigkeit sowie der Verdienste bei der Lösung von operativen Maßnahmen“ geehrt.

Wegen einer kritischen Stellungnahme zum Verbot der Zeitschrift Sputnik und der Veröffentlichung von Aphorismen mit „parteischädigendem Inhalt“ fiel „IM Scholz“ im Januar 1989 schließlich bei der Stasi in Ungnade. Eine erteilte Genehmigung für eine Reise nach Großbritannien wurde zurückgezogen. Ganz wollte die Potsdamer Bezirksverwaltung aber auf ihren Mitarbeiter nicht verzichten. Per Aktenvermerk wurde im Juli 1989 festgelegt, „aus operativ-taktischen Überlegungen den IM-Vorgang ,Peter Scholz‘ zu archivieren, jedoch mit ihm weiter auf der inoffiziellen Basis zusammenzuarbeiten“.

André Brie wird am Samstag auf dem PDS-Bundesparteitag für die Grundsatzkommission die Entwürfe für ein Parteiprogramm vorstellen.