Zwist um Arbeitsmarktabgabe neu entfacht

■ In der CDU mehren sich die Stimmen, die den „Solidarpakt“ sozial akzeptabler machen wollen/ CSU fordert ein Kanzlerwort/ DGB lehnt vorliegendes Konzept ab

Bonn (dpa/taz) – Im Kanzleramt gehen die Gäste munter ein und aus. Nach der Wirtschaft traten gestern die Länder beim Bundeskanzler zur nächsten Solidarpaktrunde an, vertreten durch die Koordinatoren Kurt Biedenkopf (Sachsen, CDU) und Oskar Lafontaine (Saarland, SPD). Die frühabendliche Runde war bei Redaktionsschluß ebensowenig beendet wie der anhaltende Streit innerhalb der Union, der beim spätabendlichen Treffen des CDU- Präsidiums zur Debatte stand.

Für eine Arbeitsmarktabgabe von Beamten, Selbständigen und Abgeordneten zur Finanzierung des Solidarpakts hat sich nun auch Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) ausgesprochen. Das Nein der FDP, befand auch der Vorsitzende der CDU-Sozialausschüsse, Ulf Fink, dürfe nicht das letzte Wort sein. Er forderte eine „sozial ausgewogene Finanzierung“. Bislang würden nur Arbeiter und Angestellte in die Pflicht genommen, Freiberufler, Beamte, Selbständige und Minister hingegen ausgenommen. „Insgesamt nicht ausreichend“ sei das vorliegende Konsolidierungskonzept. Vor allem vermisse er konkrete Aussagen zum Erhalt industrieller Kerne. Neue Kritik in dieser Richtung auch vom Ministerpräsidenten Thüringens. Bernhard Vogel (CDU) bemängelte, daß mit den für den Nachtragshaushalt 1993 vorgesehenen 1,5 Milliarden für den Osten der Erhalt industrieller Kerne nicht möglich sei. Über „die vielen Stimmen aus der CDU“ ärgerte sich der frischgekürte CSU- Landesgruppenchef Michael Glos. Sein Wunsch: Der Kanzler solle „noch stärker auf den Tisch hauen“. CDU-Generalsekretär Peter Hintze ist, wie stets, zuversichtlich. Wenn der Bund den neuen Ländern die Abwicklung der Treuhandschulden ab 1995 abnehme, sei das eine „ganz tolle Leistung“. Den Vorwurf mangelnder sozialer Symmetrie wollte Hintze nicht gelten lassen.

Der DGB lehnt eine Beteiligung am Solidarpakt auf Grundlage des vorgelegten Konzepts ab, erklärte die stellvertretende DGB- Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer gestern. Sie forderte eine Ergänzungsabgabe für Besserverdienende, auch Selbständige und Beamte müßten zur Finanzierung des Aufbaus Ost herangezogen werden. Einen Verzicht auf Lohnsteigerungen lehnte sie ab.

Der FDP-Vorsitzende Otto Graf Lambsdorff wiederholte indessen das freidemokratische Nein zu Arbeitsmarktabgaben und bat die SPD an den Verhandlungstisch zurück. SPD-Chef Björn Engholm hatte sich am Montag gegen weitere Gespräche mit Kohl gewandt. Die SPD-Länderchefs beraten heute mit der Fraktionsspitze ihr weiteres Vorgehen. tib