Saufen statt Sprühen!

■ Nach dem Stadtfest 92: für ein bißchen Graffiti 450 Mark Strafe auf Bewährung

Saufen statt Sprühen!

Nach dem Stadtfest 92: für ein bißchen Graffiti 450 Mark Strafe auf Bewährung

Der Aufwand eines Gerichtsverfahrens steht bekanntlich nicht immer in einer vernünftigen Relation zu seinem Anlaß. Gestern stand nach rund acht Monaten ein Bremer vor dem Amtsgericht, um sich für zwei belanglose, längst verschwundene Sprüh-Zeilen auf dem Gehweg zu verantworten.

Der Bremer Jürgen K., der sich selbst als „Spontankünstler“ bezeichnet, war am 30.5.92 im Minirock mit drei FreundInnen zum Stadtfest gezogen, um auf den Treppen vor dem Dom Musik und Comedytheater zu spielen. Im Laufe der Aktion soll der Mann den Spruch „Bunte Männer Bewegung. Wir gehen fremd.“ auf den Gehweg vor den Domtreppen gesprüht haben. K. bestritt gestern den Vorwurf und weigerte sich, den Namen der SprayerIn zu nennen.

Rund hundert ZuschauerInnen hatten sich damals die Comedy- Show vor dem Dom angesehen. Ein Verkäufer einer nahen Imbißbude fühlte sich von der Aufführung gestört. „Die redeten da über ihr kulturelles Interesse — was das Stadtfest nichts angeht!“ sagte er gestern vor Gericht. Er befürchtete Umsatzeinbußen, weil seine KundInnen von der ungewöhnlichen Aktion abgeschreckt werden könnten. Außerdem will er den 41jährigen Angeklagten mit einer Sprühdose in der Hand gesehen haben. Die herbeigerufenen Polizisten fanden die Sprühdose in einer fünf Meter weiter abgestellten Tasche. Diese gehörte dem Spontankünstler. Er gab vor Gericht aber an, daß die Tasche von allen Akteuren benutzt wurde: „Ich habe nicht gesprüht!“

Staatsanwalt Fritz Haar fand zwar, daß die Aufführung selbst „vielleicht mehr als die vielen Trink- und Freßbuden in das Stadtfest paßt“. Er klagte den Mann aufgrund des Graffitis aber wegen Sacbeschädigung an, obwohl die Farbe von den PassantInnen längst abgetreten ist. Das Gericht folgte der Auffassung des Staatsanwaltes und verurteilte den „Spontankünstler“ zu einer Geldstrafe von 450 Mark, ausgesetzt für ein Jahr auf Bewährung. Weiterhin muß er 400 Mark Verfahrenskosten an eine gemeinnützige Initiative zahlen. Mac