Der Tokio—Babylon Express

■ Toshinori Kondo spielte im Schlachthof / Der Traum, ein Rockstar zu sein

Wuuuoosch, da war er schon vorbei! Aber sofort kam schon der nächste ohrenbetäubende Song angerast mit kreischender Gitarre, stampfendem Schlagzeug und diesen abgehackten, hohen Schockimpulsen, die nur manchmal entfernt an Trompetenklänge erinnerten. Aufs Publikum wurde keine Rücksicht genommen: da gab es keine ruhigere, oder auch nur einfachere Passage zwischendurch, bei der man etwas Zeit gehabt hätte, um sich seine sieben Sinne wieder zusammenzusuchen.

Toshinori Kondo führte Schlag auf Schlag: aufs äußerste angespannt und extrem abwechslungsreich, aber immer mit der gleichen, dunklen, sehr aggressiven Grundstimmung. Wenn diese Musik wirklich das Tempo und die Lebensstimmung von Tokio wiedergibt, erstaunt es nicht, daß Kondo New York „zu langweilig“ fand. Seine Band spielte die Musik des neuen Babylons zu hören.

Wie in einem akustischen Kaleidoskop wurden die verschiedensten Musikstile nicht vermischt, sondern eher gegeneinandergeschleudert, und dabei gebärdeten sich Kondo und seine Band „IMA“ so brachial, daß man kaum die musikalische Finesse bemerken konnte, die diesen Großangriff so effektvoll wirken ließ.

Man konnte zum Beispiel die anderhalb Stunden des Konzerts durchtanzen. Egal wie kantig die Songs auch klangen: jeder Takt ging gut in die Beine. So konnte sich ein düsterer Heavy Metal Groove plötzlich in einen schwarzen Reggae verwandeln, und der Keyboarder, der die Toncollage meistens mit dröhnenden Synthesizereffekten verdunkelte, konnte bei einer funkigen Passage plötzlich ganz unverschämt im Stil von Booker T. eine elektronische Orgel voller Soul spielen.

Kondos Trompete war nicht ein einziges Mal unverzerrt zu hören: mit Wah-Wah und anderen Soundeffekten klang sie eher wie eine Gitarre. Nur in den Phrasierungen entpuppte er sich als Jazzmusiker und auch ein wenig als Epigone von Miles Davis. Ansonsten spielte er auf der Bühne fast die Parodie eines Rockmusikers. Ohne viel Stimme sang er Textzeilen wie „Fire makes darkness, wowowowowowo“ oder immer wieder das Kürzel „Space Radio“.

Vielleicht waren all diese groben Rockklischees witzig gemeint, vielleicht waren sie sogar absichtlich unkomische Witze: oft konnte man bei Kondo nicht sagen, wo und wie er sein Publikum attackierte. Lange kann man darüber nachdenken, ob der Sound einfach nur schlecht ausgesteuert war, oder ob diese trashige Tonsuppe genau den Intentionen der Künstler entsprach. So mag es klingen in den Straßen von Tokio. Willy Taub