Die Jazzwelle wird geglättet

■ Hamburgs jüngster Privatsender kündigt Programmreform für Zahnärzte an / Zwei Prozent Hörbeteiligung

für Zahnärzte an / Zwei Prozent Hörbeteiligung

Sabine Nagel-Heyer, Geschäftsführerin des kleinsten und jüngsten Hamburger Privatsenders, der Jazzwelle Plus, ist optimistisch: „Zum Jahreswechsel 1993/1994 sind wir aus den roten Zahlen.“ Viel Grund zur Freude kann sie allerdings nicht haben, denn eineinhalb Jahre nach Sendebeginn schreibt die Jazzwelle immer noch tiefrote Zahlen. Lediglich zwei Prozent der HamburgerInnen hören laut Infrateststudie 1992 die leichtgewichtige Jazzmusik des Senders aus Osdorf.

Damit sich das ändert, hat das „etwas andere Radio“, so die Eigenwerbung, zum gängigen Mittel der Programmreform gegriffen. Künftig wird es bis 18 Uhr keine allzu schrägen Töne mehr auf 97,1 Megahertz geben. Ein von der Jazzwelle beauftragter Programmberater hat nämlich die nachmittägliche Jugendsendung als musikalischen Bruch im seichten Restprogramm geortet und in die Abendstunden verbannt.

Besonders Rechtsanwälte und Zahnärzte, „die uns im Wartezimmer laufen haben“, fühlten sich von neueren Tönen gestört, behauptet Sabine Nagel-Heyer. Ob diese Kundschaft mit mehr Gewinnspielen zu halten ist? Die Jazzwelle hofft dies offenbar, gesponserte Gewinne sollen das Zuhören attraktiver machen.

Selbst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mithelfen bei der Sanierung des Senders. Alle 28 freiberuflich Tätigen arbeiten unentgeltlich (und klingen am Mikrophon erfrischend unprofessionell). Bezahlt werden die vier festen Redakteure, das Büro und die Geschäftsführung. Früher gab es, nach Angaben eines ehemaligen Mitarbeiters, wenigstens noch hundert Mark pro Sendung.

Das geringe Hörerinteresse an leichtverdaulichem Jazz hat auch die Werbepreise verdorben. Mußten anfangs 300 Mark für den 30-Sekunden-Spot bezahlt werden, liegt das Angebot heute bei 40 Mark.

Auch die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM) wird sich im Februar mit der Programmreform der Jazzwelle beschäftigen, wie Direktor Helmut Haeckel bestätigt. „Bis dahin werden wir uns öffentlich nicht äußern.“

Nicht zum ersten Mal ist der Sender Thema in der HAM. Bereits im Juni 1992 war die „bedrohliche wirtschaftliche Situation der Jazzwelle Plus“ Gegenstand einer Sitzung der Hamburger Privatfunkkontrolle. Kurz vorher hatte der

1Gründer des Senders, Hans Ruland, nämlich das Geschäftsführerhandtuch geworfen. Sein langer Arm aus München, wo er ebenfalls eine Jazzwelle unterhält, war ständiger

1Konfliktherd für die Hamburger Redaktion.

Zur neuen Chefin des Senders avancierte Sabine Nagel-Heyer. Deren Mann, ein wohlhabender Bau-

1unternehmer, hält die Radiostation zur Zeit finanziell über Wasser. Zur Freude derer, die in den Wartezimmern darben.

Mat Basche