Alte Fische

■ Hanne Hiob mit der Haifisch—Revue im Schlachthof

„Und der Haifisch, der hat Zähne ...“ Bert Brecht verfaßte diesen Song 1928: Weltwirtschaftskrise; London, Hauptstadt des Kapitalismus — sind die drei Groschen gefallen? Am Mittwoch abend sollte den alten Fischen auf der Schlachthofbühne neues Leben eingehaucht werden. „Haifische und andere Menschen“ hieß der Titel der zweistündigen Revue von und mit der Brechttochter Hanne Hiob & Ensemble.

Das Brecht'sche Lehrstück „Wenn Haifische Menschen wären“, die Parabel von den bösen Haien, die die kleinen Fische nur groß werden lassen, um sie zu fressen, wurde in 93er-Verhältnisse übersetzt. Indem einzelne Textpassagen der Zeigefingerparabel mit kabaretthaften Theaterszenen konfrontiert wurden, konnte selbst der Dümmste verstehen, worum es ging: Um Gut und Böse, Macht und Ohnmacht, Richtig und Falsch.

Geschichtsstunde: Da kommt der Franzose afrikanischer Herkunft zum Ausländeramt in Deutschland. „Wegen Fluchtgefahr“ wird er provisorisch in Handschellen gelegt. Die Herren im gestärkten Weißhemd, Prototypen feister Schreibtischtäter, haben zugeschlagen. „Bürokratenschweine!“ möchte die gute Seele schreien, wäre die Inszenierung nicht zu derbe, der Sachverhalt nicht zu plump, die Schuld nicht zu eindeutig, der Zynismus nicht so hilflos und die Moral nicht so triefig.

Allerdings geht in diesem Collagen-Theater ein Bruch durch die Bürokratenriege. Nicht jeder Bürokrat ist gemeiner Stellvertreter der Macht: Dem Professor Gerhard Riege, Abgeordneter der PDS, wird eine Szene gewidmet. Er brachte sich 1992 um, weil er „das unmoralische, erbarmungslose System“ und den „Haß im Bundestag“ nicht aushalten konnte — sein Abschiedsbrief wird verlesen.

„Und der Haifisch, der hat Zähne“ groschelt die Musik in guter alter Tradition, und die Bettler singen nicht schlecht dazu. Doch das Stück bleibt zahnlos — mit einem leicht anachronistischen Zug. ede