: "Lehrerhafte Art"
■ Justizsenatorin Limbach gestand Fehlverhalten bei Formulierungshilfe für Staatsanwalt im Fall Honecker ein
Berlin. Vor dem Rechtsausschuß des Abgeordnetenhauses räumte Justizsenatorin Jutta Limbach gestern ein, daß es ein Fehler gewesen sei, an der Erklärung des Generalstaatsanwalts beim Kammergericht zum Fall Honecker mitgewirkt zu haben. Sie sei ein Opfer ihrer lehrerhaften Art gewesen, als sie am 19. Januar einen Entwurf von Generalstaatsanwalt Dieter Neumann korrigierte. Dieser verschickte die Erklärung sodann im eigenen Namen auf dem Papier der Justizverwaltung an die Presse. Sie sorgte letzte Woche für beträchtliche Aufregung, warf Neumann doch dem Verfassungsgericht vor, massive Richterschelte zu betreiben. Dessen Tadel gegenüber Honeckers Richter, „den Geboten der Menschenwürde nicht Rechnung getragen zu haben“, ist nach Neumanns Ansicht „geradezu absurd“.
Mit einem Entwurf für diese Erklärung war Neumann am Montag vergangener Woche in eine Gesprächsrunde mit der Justizsenatorin und den Gerichtspräsidenten Berlins gegangen. Diese waren zwar ebenfalls erbost über die Entscheidung des Verfassungsgerichts, wollten jedoch keine öffentliche Erklärung abgeben. Neumann beharrte trotzdem auf einer eigenen Verlautbarung, die in einer von der Justizverwaltung „bereinigten Fassung“ von ihm gebilligt und dann verbreitet wurde. Aus einem Vergleich des Ursprungstextes und des veröffentlichten Textes geht allerdings hervor, daß die am meisten kritisierten Passagen nicht aus Neumanns Feder stammen, sondern von der Justizverwaltung hineinredigiert wurden.
Limbach wurde gestern nicht nur vom Bündnis 90/Grüne heftig angegriffen, sondern sah sich auch der Kritik ihres Parteifreundes Hans-Georg Lorenz ausgesetzt. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion warf ihr vor, mit „ihrer“ Erklärung unverhältnismäßig auf „eine Verletzung des Ehrempfindens der Richter“ reagiert zu haben. Diese dürfe nicht dazu führen, eine Entscheidung „absurd“ zu nennen. Renate Künast (Grüne) attestierte Limbachs Vorgehen verfassungsrechtliche Unzulässigkeit. Diese habe gewußt, daß die Kritik am Verfassungsgericht aus ihrem Munde nicht zulässig ist, und habe sie deshalb vom Generalstaatsanwalt vertreten lassen.
Auch der CDU-Abgeordnete Ekkehard Wruck fand, daß der Rechtsstaat erheblichen Schaden genommen habe. Er hatte bei dieser Einschätzung allerdings eher die Entscheidung des Verfassungsgerichts vor Augen, denn unter der „Generalklausel Menschenwürde“ ließe sich jede gerichtliche Entscheidung aufheben.
Ihn wie auch seine Parteifreunde und den FDP-Vertreter im Ausschuß bewegte allerdings mehr die Frage, wieso der ehemalige Staats- und Parteichef der DDR mit solch einer Eile aus der Haft entlassen und zum Flughafen verbracht wurde. Eine Frage, deren Beantwortung jedoch nicht in der Kompetenz der Justizsenatorin lag. Dieter Rulff
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