Schonfrist für ABM-Wissenschaftler in Adlershof

■ Für die Mehrheit der Wissenschaftler in Adlershof ist die Zukunft noch ungewiß

Adlershof. Der geplante „High- Tech-Park“ in Adlershof ist noch einmal davongekommen. Über 700 ABM-Stellen für wissenschaftliches Personal in den Forschungseinrichtungen und Trägergesellschaften sollten jetzt auslaufen. Glück für die Adlershofer: Das zuständige Arbeitsamt in Köpenick sorgte Ende Dezember kurzfristig für Verlängerung, bevor mit Jahresbeginn die neuen, verschlechterten ABM-Richtlinien des novellierten Arbeitsförderungsgesetzes gelten.

Dennoch bringt die Verlängerung nur eine Schonfrist. Auf dem Gelände der ehemaligen Akademie der Wissenschaften (AdW) befinden sich Dutzende neue Forschungseinrichtungen und Teile alter AdW-Institute. Ein Großteil der Beschäftigten wird über ABM oder das sogenannte Wissenschaftler-Integrationsprogramm (WIP) finanziert. Diese meist bis Ende 93 befristeten Programme sind deswegen nur Sprungbretter in eine ungewisse Zukunft.

„Es geht mir hier schlicht um die Verlängerung meiner ABM-Stellen, um das Projekt noch einmal voranzutreiben“, sagt der Diplom- Ingenieur Frank Müller. Das Projekt besteht aus ihm und einem verbliebenen Mitarbeiter einer Computerabteilung der AdW.

Früher gehörte er zu einer „geräteentwickelnden Einheit“, sprich: Er versuchte, komplizierte Computertechnik für die Forschung in den AdW-Instituten nutzbar zu machen. Heute geht es ihm vor allem um genügend Aufträge, um mit einem eigenen Unternehmen zu überleben. Bekommt Frank Müller die ABM- Verlängerung, dann habe er „ab 94 vielleicht die Chance“, sich zu halten.

Der Weg dorthin wird steiniger werden, denn die neuen ABM- Richtlinien sehen eine Verringerung des Gehaltssatzes auf 75 Prozent normaler Beschäftigungsverhältnisse vor. Für den Osten gelten wiederum nur 70 Prozent des Westtarifs. 75 Prozent von 70 Prozent – das macht, je nach Einstufung, für manchen ausgewachsenen Wissenschaftler knapp über 1.000 Mark pro Monat.

Die größere Frage aber ist momentan: Wer bekommt die ABM- Verlängerung überhaupt? Das könne man noch nicht recht beurteilen, meint Raimund Rilling, der Geschäftsführer der für WissenschaftlerInnen zuständigen Berliner Servicegesellschaft SPI (Sozialpädagogisches Institut). Die neuen, erheblich gestrafften Haushaltsansätze der Arbeitsämter für ABM „sind noch nicht heruntergerechnet in konkrete Stellen“. Gewiß ist nur, so Rilling: „So viele Stellen wie bisher werden nicht mehr zur Verfügung stehen.“ Zum Stichtag 16. Dezember gab es in Berlin 3.083 WissenschaftlerInnen in ABM. Auf Adlershof entfallen dabei 1.029.

Das SPI berät und betreut die Träger der ABM-Projekte im Auftrag des Senats. „Es wird in Zukunft viel stärker auf die Qualität ankommen“, schätzt Ralf-Joachim Heger von SPI die Zukunft der per ABM geförderten Projekte ein. Es werde eine „Verschlankung“ geben. Das bedeute unter anderem, daß die Investitions- und Sachmittel schwerer zu erhalten wären. Projekte und Träger beantragen die Gelder üblicherweise beim Sozialpädagogischen Institut.

Noch müssen die fünf beteiligten Senatsverwaltungen die Zuständigkeiten für Adlershof klären. Für das Marketing des gewünschten Techno-Parks, die Organisation und das 76 Hektar Gelände selbst soll künftig eine Gesellschaft namens „EGA plus“ (Entwicklungsgesellschaft Adlershof) zuständig sein. Zudem möchte das SPI gerne zwei Forschungs-GmbHs installieren. Sie sollen die teilweise isoliert und unbekannt vor sich hinwerkelnden Forschungsgruppen in der Öffentlichkeitsarbeit, bei der Akquisition von Aufträgen und der Verwaltung unterstützen. Ziel ist es, den auf ABM-Basis laufenden Forschungsgruppen den Schritt in die Selbständigkeit zu erleichtern. In Adlershof bildet sich indes eine Art Mehrklassengesellschaft der Beschäftigten. Da gibt es die wenigen festangestellten WissenschaftlerInnen, etwa in den etablierten Forschungsinstituten der sogenannten Blauen Liste. Diese werden je zur Hälfte von Bund und Land finanziert. Die zweite Gruppe sind die ABM-Kräfte, die voll auf einen Einstieg in die wissenschaftlichen Projekte zielen. Sie können sich ganz auf die forscherische Qualität ihres Projektes konzentrieren. Auf sie warten später, wenn sie denn gut genug sind, potente Geldgeber. Und schließlich gibt es noch eine dritte Gruppe, die keine Anbindung an Forschungsprojekte hat und deshalb voll auf ihre wirtschaftliche Tragfähigkeit abzielen muß.

„Aus der großen Akademie wurden lauter kleine Gruppen, die alle mit sich selber zu tun haben“, beschreibt Frank Müller den Prozeß, der sich abspielt. Jede Gruppe versuche, sich selbst über Wasser zu halten. Und das bedeutet zumeist: Verlängerung der ABM- Stellen. „Wenn man sieht, daß eine wegfällt“, meint der 42jährige Diplom-Ingienieur Müller, „dann ist man halt froh, daß man überlebt hat.“ Christian Füller