Gestutzte Minarette unterm Petersdom

In Rom sorgt die „Moschee im Zentrum der Christenheit“ für Streit: Man ist ja tolerant und weltoffen, aber.../ Proteste gegen ein „Symbol des Islam, als wäre hier Istanbul“  ■ Aus Rom Werner Raith

Auf seine Weltoffenheit und Liberalität läßt die Römerin Carmine Alberini nichts kommen, „aber muß ich das durch den Anblick eines 80 Meter hohen Minaretts beweisen?“ Ahmed Ben Alabar dagegen, gebürtiger Iraner, seit den 80er Jahren im Exil und im südlichen Lazium so etwas wie eine Anlaufstelle für in Not geratene Orientale, sieht die Sache „mit gewissem Stolz und nachträglicher Befriedigung“. Der Strandverkäufer Bukir ist da ganz anderer Ansicht: „Stolz“ könne er angesichts der „Geschichte dieses Bauwerks“ nicht empfinden, sei es doch „mit dem Blutzoll des Schah Reza Pahlewi“ befrachtet.

Die Rede ist von der „römischen Moschee“, deren erster Bautrakt seit einigen Monaten fertig ist. Der gesamte, fast 300 Meter lange Bau soll bis zur Jahrhundertwende vollendet sein und dann zum europaweit größten Kulturzentrum des Islams werden. Die Architekten Sami Moussawi (aus dem Irak), Paolo Portoghesi und Vittorio Gigliotti wollten „in Stein, Glas und Strahlen ,die Sure des Lichts‘ realisieren“, die da lautet: „Gott ist das Licht von Himmel und Erde. Sein Licht gleicht einem Fenster mit einer Lampe darin. Die Lampe steht in einem Glas, das so blank ist wie ein funkelnder Stern. Sie brennt mit Öl von einem gesegneten Baum... Dessen Öl schon hell leuchtet, auch wenn kein Feuer sie entzündet hat — Licht über Licht.“

Wer den Gebetsraum betritt, kann sich dem Eindruck einer ungeheuren, geheimnisvollen Lichtfülle tatsächlich nicht entziehen: Indirekt strömt von einer 170 Meter langen, verdeckten Simsfront Helligkeit herein, Träger steigen in nach oben reißender, dann mild abschwingender Form auf in die mächtige freitragende Kuppel. Mit 25 Metern Durchmesser und ebensolcher Höhe ist sie nicht ganz so mächtig, doch ebenso eindrucksvoll wie die des Petersdoms.

Zur traditionellen islamischen Architektur gab es keine Einsprüche, obwohl über dreißig Staaten ihr Scherflein zu dem ehrgeizigen Bau beisteuern. Die Vorbehalte kommen von anderer Seite: Einheimische am „Monte Antenna“, wo das islamische Zentrum ziemlich weit nördlich der Stadtgrenze entsteht, fürchten, so ein Flugblatt, einen „ständigen Zufluß von Extrakommunitären“. Sie berichten von Messerstechereien zwischen ex-jugoslawischen Muslimen, und während des Golfkrieges sollen hier Ägypter und Iraker aneinander geraten sein.

Uneinigkeit herrscht auch über die Frage, wem der Dank für das Werk gebührt. Denn den Anstoß hatte einer gegeben, den heute nur noch wenige in positiver Erinnerung halten: Schah Reza Pahlewi, der gestürzte Diktator des Iran. Er hatte schon bald nach dem Zweiten Weltkrieg vom Bau einer Moschee „im Zentrum der Christenheit“ geträumt. Doch erst 1973 wurde ein Wettbewerb ausgeschrieben.

Der Streit ließ nicht auf sich warten. Speziell das auf 80 Meter geplante Minarett trieb die Römer auf die Palme: Sie seien zwar für den „Dialog zwischen Islam und Christentum“ (so die Projektbeschreibung), aber gegen ein „Symbol des Islam, als wäre hier Istanbul“ (so eine Eingabe an den Stadtrat). Das Minarett wurde auf 24 Meter gestutzt, seitdem fühlen sich die Verehrer des Petersdoms vor Konkurrenz sicher.

Traditionell sind die Römer stolz auf ihre Offenheit gegenüber allen Religionen – schon im Altertum brachten die Heerführer neben großer Kriegsbeute auch den Glauben an fremde Gottheiten und deren Kulte mit, und flugs wurde alles den römischen Riten einverleibt. Dennoch sind die Behörden vorsichtig. Rings um das Gebäude patroullieren Carabinieri und Polizeistreifen, und die Späher der drei Geheimdienste haben ausdrücklichen Auftrag, besonders eine Gemeinschaft auszuhorchen: die Juden im ehemaligen Ghetto nahe der Tiberinsel im Zentrum Roms.

Von dieser Seite kommt allerdings Ermutigung: Erniedrigungen, so die Leiter der jüdischen Gemeinde, habe man seitens der katholischen Kirche in den vergangenen Jahrhunderten selbst genug ertragen müssen; anderen Glaubensgemeinschaften, die von Ähnlichem bedroht sind, fühle man sich so durchaus nahe.