Kroatien: Abzug der UN-Soldaten?

Nach der Eskalation der Kämpfe in Südkroatien denkt die UNO über Abzug ihrer Blauhelme nach/ UN-Soldaten zwischen den Fronten/ Kroaten wollen sich nicht zurückziehen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Hilflos und mit widersprüchlichen Signalen reagiert die UNO bislang auf die eskalierenden Kämpfe in der Kraijna. Während der Oberkommandierende aller 22.800 Unprofor-Soldaten im früheren Jugoslawien, General Satish Nambiar, und Generalsekretär Butros Butros Ghali in der Nacht zum Donnerstag die Möglichkeit eines Abzugs der „zunehmend gefährdeten“ UN-Soldaten aus der Kraijna andeuteten, wurden im Sicherheitsrat „neue Maßnahmen“ erörtert, um die Kämpfe zwischen Kroaten und Serben zu stoppen. Ein Abzug der UN-Soldaten bedeutete das endgültige Scheitern des von Cyrus Vance vor einem Jahr vermittelten und nach ihm benannten Plans für einen Waffenstillstand sowie die schrittweise Wiederherstellung des Status quo vor dem serbisch-kroatischen Krieg des Jahres 91.

Vance und David Owen hatten seit Beginn der Kämpfe heute vor einer Woche immer wieder behauptet, die von ihnen geleiteten Genfer Verhandlungen über Bosnien seien dadurch nicht direkt betroffen. Dieser Einschätzung widersprach Ghali in einem Bericht an den Sicherheitsrat deutlich. Und auch für eine Verlängerung des Unprofor-Mandats, das am 21. Februar ausläuft, könne die Gefährdung der Blauhelme „schwerwiegende Folgen haben“.

Nach Angaben des Sprechers der Genfer Konferenz, Fred Eckard, der sich dabei auf Unprofor- Angaben stützte, sind die kroatischen Truppen von Beginn ihrer Offensive an nicht nur, wie von der Regierung Tudjman zunächst behauptet, in die sogenannten Rosa- Zonen, sondern auch in das UNO- Schutzgebiet eingedrungen. Gestern tobten heftige Kämpfe im Hinterland der süddalmatinischen Hafenstadt Split. General Nambiar berichtete über einen Angriff kroatischer Verbände auf den von Unprofor-Soldaten bewachten Peruča-Staudamm nordöstlich von Split. Dabei seien 15 UNO-Soldaten zwischen die Frontlinien geraten.

Bis gestern mittag hielten serbische Milizen außerdem immer noch 21 unbewaffnete Zivilpolizisten der Unprofor in einem Hotel in der Stadt Benkovac unmittelbar hinter den neuen Frontlinien östlich von Zadar fest. Aufgabe der Zivilpolizisten ist es laut Vance- Plan, die Arbeit der örtlichen Polizei zu überwachen.

Der Sicherheitsrat will bei einem Anhalten der Kämpfe „neue Maßnahmen“ zur Durchsetzung seiner Resolution 802 vorbereiten. In ihr war Kroatien am Montag zum Rückzug seiner Truppen auf die bis zum letzten Freitag gehaltenen Stellungen, die serbischen Milizen zur Rückgabe der von ihnen aus UN-Depots gestohlenen Waffen aufgefordert worden. Nähere Angaben über die Art „neuer Maßnahmen“ machte Hatano nicht. Der kroatische UNO-Botschafter schloß unterdessen einen schnellen Rückzug der kroatischen Armee von den seit letztem Freitag eroberten Territorien aus. Ein Rückzug könne „nur durch Verhandlungen erreicht werden“.

Mit seiner Resolution 743 hatte der UNO-Sicherheitsrat am 21. Februar 92 die Aufstellung der Unprofor-Truppe für Kroatien und am 2. April (Res. 749) ihre Stationierung in den drei UNO- Schutzzonen Kraijna sowie Ost- und Westslawonien beschlossen. Als „Zwischenlösung zur Schaffung der Friedens- und Sicherheitsvoraussetzungen für eine umfassende Lösung der jugoslawischen Krise“ beschrieb der Sicherheitsrat seinerzeit die bis spätestens zum 21. Februar 93 zu erfüllenden Aufgaben der UNO-Truppen: Demilitarisierung der UN-Schutzzonen durch Abzug aller Waffen und Auflösung aller Streitkräfte; Schutz aller in den Zonen lebenden Zivilpersonen; Ermöglichung der Rückkehr Vertriebener in ihre früheren Wohngebiete. Mit seiner Resolution 762 legte der Sicherheitsrat am 30. Juni die Grundlage für die Schaffung der „rosa Zonen“. Das sind Gebiete außerhalb der UNO-Schutzzonen, in denen Unprofor in Zusammenarbeit mit der Regierung in Zagreb und den lokalen serbisch dominierten Verwaltungen die Autorität kroatischer Behörden wiederherstellen sollte. Umgesetzt wurde bis heute jedoch nur Punkt eins, die Stationierung der UNO-Truppen.

Schon vor einem Jahr waren die Erwartungen an den Vance-Plan bei den Kontrahenten völlig gegensätzlich: Serbien erwartete von der UNO die Sicherung seiner Eroberungen, Kroatien hingegen die Wiederherstellung des Vorkriegsstatus. So war schon damals ein neuer Krieg absehbar: „Wenn wir unsere Regionen nicht mit Hilfe der UNO von den serbischen Aggressoren befreien können, dann werden wir es mit Krieg tun“, kündigte Präsident Tudjman Anfang Januar 1992 an.