Aus der Position einer Eintagsfliege

■ In der Sternwarte in Bergedorf erforschen Astrophysiker das Woher und Wohin des Universums

erforschen Astrophysiker das Woher und Wohin des Universums

Am neuen Bild des Universums bauen Hamburger Astronomen maßgeblich mit. Als 1833 die Sternwarte in Bergedorf gegründet wurde, stand jedoch die genaue Positionsbestimmung der Sterne im Vordergrund, was damals besonders wichtig für die Navigation in der Seefahrt war. In letzter Zeit konzentrieren sich die Himmelskundler immer mehr auf extragalaktische, kosmische Fragen.

Doch die Geräte, die man in einer Sternwarte vermutet, sind in Bergedorf nur noch im „Schmidt- Museum“ der Sternwarte zu bewundern. Hier steht auch das erste Spiegelteleskop, das der Optiker Bernhard Voldemar Schmidt 1930 erfand. Sein Schmidt-Spiegel, eine sehr lichtstarke Kamera, kann große Himmelsfelder bis an die Bildränder hin scharf ablichten. Solche Sternenfotos werden auch heute noch in Bergedorf ausgewertet, die Bilder stammen aber nicht aus Hamburg, das selbst am äußersten Stadtrand für teleskopische Beobachtungen schon seit langem zu hell und zu dunstig ist. Seit 1980 steht das Hauptinstrument der Sternforscher auf dem 2000 Meter hohen Calor Alto in Südspanien.

Astrophysiker beobachteten das Weltall wie eine Eintagsfliege, die einen Menschen erblickt und daraus auf seine Entwicklung schließen soll, erklärt der Leiter der Sternwarte Professor Dieter Reimers. Als Hilfsmittel für die Erforschung von Vergangenheit und Zukunft des Universums sollen den forschenden „Eintagsfliegen“ Quasare und Gravitationslinsen dienen.

Quasare sind die hellsten Objekte des Kosmos und ein paar Milliarden Lichtjahre entfernt. „Wir beobachten die Quasare also zu dem Zeitpunkt, wo das Universum entstand“, erklärt Dr. Jochen Schramm von der „Gravitationslinsen-Gruppe“, die Professor Sjur Refsdal leitet. Als optische Linsen fungieren ganze Galaxien, Systeme von Milliarden von Sternen, die die Lichstrahlen von weiter entfernt liegenden Quasaren brechen.

Daran, wie das Licht der Quasare verstärkt oder gebrochen wird, wollen die Astronomen Informationen über das Woher und Wohin des Universums ablesen: Dehnt es sich ewig weiter aus, oder ist genügend Masse vorhanden, um die Ausdehnung aufzuhalten oder es gar zum Zusammenfallen zu bringen? „Wir kennen nur zehn Prozent der Masse, die das Universum anhalten könnte“, sagt Jochen Schramm. Die sogenannte dunkle Materie, nicht leuchtende Sterne, können Teleskope und Satelliten nicht erfassen. Sie lassen sich aber mit dem Linseneffekt aufspüren. Trifft das Licht eines Quasars am Rande des Universums auf

1einen der Milliarden Sterne einer Galaxie, wird es verstärkt. Dann ist auch ein nicht leuchtender Stern zu orten.

„Wir sind aber auf die lückenlose Überwachung angewiesen“, sagt Jochen Schramm. Die Teleskope in Spanien kann jeder Beob-

1achter immer nur für kurze Zeit nutzen. Schramm sucht deshalb mit Sjur Refsdal, Ulf Borgeest von der Hamburger Sternwarte und anderen deutschen Kollegen Sponsoren für ein Teleskop, an dem sie die Quasare und Linsen kontinuierlich beobachten können — Kosten-

1punkt 40 bis 50 Millionen Mark. Für das Sponsoring würden sie schon einiges mitmachen, so Schramm, „aber wenn das neue Teleskop so aussehen soll wie ein Hamburger, aus dem der Ketchup herausquillt, hätten wir doch Schwierigkeiten“. Vera Stadie