Krankenkasse im Ozonhorror

■ Verschreibungspflicht für Sonnenbrillen oder Hysterie?

Wer wäre nicht besorgt um die eigene Gesundheit? Wer würde nicht zusammenzucken bei einer Überschrift wie dieser: Ozon — In die Sonne nur noch mit Brille! Das Mitgliederheftchen der Techniker Krankenkasse hat diesen Monat mit dieser beunruhigenden Schlagzeile aufgemacht.

Das wichtigste Reisegepäck überhaupt, so steht da, sei ab sofort nicht mehr die Zahnbürste, das Vorlesebuch oder die Scheckkarte, sondern die Sonnenbrille. Weil: Das Ozonloch macht nicht nur Hautkrebs, sondern auch den Grauen Star. Die Sonne kann immer mehr schädliche UV-Strahlen in Ihr Auge feuern, und schon wird die Linse trübe. Feierabend mit Gucken.

Doch bevor Sie der Horror überfällt und Sie sich schon im April hinter dunklen Gläsern verstecken, bevor die Bremer Optiker Massen von Sonnenbrillen ordern: Unsere Bremer Ärzte geben Entwarnung. Die heißt kurz zusammengefaßt „Alles Quatsch!“. Und das nicht nur wegen des bekannt lichtarmen Bremer Sommers.

Professor Ulrich Demüller ist Chef der Augenklinik im Krankenhaus Sankt-Jürgen-Straße und von daher Fachmann für den richtigen Durchblick. Und er war einigermaßen erstaunt über die Warnmeldung des Krankenkasse: „Wenn das auch nur ernsthaft in der Fachdiskussion wäre, das wäre schon ganz anders breitgetreten worden.“ Wenn die Augen im Sommer tatsächlich so gefährdet wären, wie die Techniker-Kasse es behauptet, dann müßte es die Sonnenbrillen ja ab sofort auf Krankenschein geben, meint der Augenspezialist.

Wenn die Sonne scheint, dann gibt es nach wie vor nur einen Platz, an dem Die dunklen Gläser ein Muß sind: Das ist die Schipiste. Auf 3.000 Meter Höhe liegt die Strahlungsintensität doppelt so hoch wie im Tal — oder der norddeutschen Tiefebene. Der Schnee kann bis zu 95 Prozent des Lichts reflektieren, und das ist eindeutig zuviel für die Augen. Ulrich Demüller: „Da kommt es zu Verblitzungen, wie beim Schweißen.“ Die sind ziemlich unangenehm, aber bei entsprechender Pflege nach zwei bis drei Tagen verschwunden.

Also: Vorsicht ist geboten, wenn die Sonne sticht, gesonders im Gebirg und wenns geschneit hat. Aber bei uns da herunten bleibt die Sonnenbrille das, was sie war: Durchaus verzichtbar.

Jochen Grabler